Mike Sandbothe
Medienpädagogik als pragmatische Disziplin in der LehrerInnenausbildung
These 1
Ein am amerikanischen Pragmatismus (Dewey, Rorty, Brandom) orientiertes Wissenschaftsverständnis unterscheidet sich vom europäischen Modell der "angewandten Forschung". Dieses geht von Theorien und empirischen Datenerhebungen aus, um diese sekundär auf die Praxis anzuwenden. Jenes setzt demgegenüber von vornherein und primär bei der Praxis an und lässt dann sekundär aus den Arbeitstheorien der Praxis ("implicit knowledge") heraus neue Methoden, Theorien und Wissensformen entstehen.
These 2
Eine als pragmatische Disziplin verstandene Medienpädagogik professionalisiert die aus der Praxis heraus entstehenden neuen Lehr- und Lernformen. Sie diszipliniert den kulturpolitischen Pragmatismus der Privatinitiativen ("Archiv der Zukunft", "Ted-Ed" u.a.), indem sie ihn im Rahmen staatlicher Bildungsangebote demokratisch institutionalisiert.
These 3
Medienpädagogik steht als akademische Transdisziplin im Spannungsfeld von Medien- und Erziehungswissenschaft. Als "angewandte Wissenschaft" nutzt sie die Wissensbestände der beiden Bezugsdiszplinen zur Verbesserung der Lehr- und Lernpraxis in schulischen und außerschulischen Kontexten. Als "pragmatische Disziplin" lässt sie sich darüber hinaus unmittelbar auf die sich wandelnde Medienpraxis in Lehr- und Lernkontexten ein, überprüft die vorhandenen Wissensbestände der Bezugsdisziplinen und entwickelt eigenständig neue Wissensformen aus der Praxis heraus.
These 4
Dabei macht sie vom sprachphilosophischen Pragmatismus des späten Wittgenstein Gebrauch. An die Stelle der klassischen wissenschaftlichen Definitionsarbeit (= Bestimmung der Bedeutung eines Begriffs) tritt in der pragmatischen Medienpädagogik die Analyse der Verwendungsweise von Worten (Patchwork-Modell). Das läßt sich anhand der Worte "Medien" und "LehrerIn" verdeutlichen.
These 5
Das Spektrum der alltagssprachlichen Verwendungsweisen des Wortes "Medien" reicht von den sinnlichen Wahrnehmungsmedien (Raum, Zeit, Sinnesorgane, Körper etc.) über die künstlerischen Kommuniktionsmedien (Bild, Sprache, Schrift, Tanz, Theater, Musik etc.) bis zu den technischen Verbreitungsmedien (Radio, Film, Fernsehen, Internet etc.). Das Spektrum der alltagssprachlichen Verwendungsweisen des Wortes "LehrerIn" umfasst u.a. die pädagogischen, die künstlerischen, die spirituellen und die handwerklichen Lehrpersonen (MeisterInnen) sowie Coaches (= begleitende LehrerInnen), Therapeuten (= heilsam helfende LehrerInnen) und Trainer (= sportlich konditionelle LehrerInnen).
These 6
Das an der Universität Flensburg aktuell statt findende Kooperationsprojekt "SchülerFilmStadt Flensburg" darf als Umsetzung einer pragmatischen Form von Medienpädagogik gelten. Es setzt bereits eine Vielzahl der im Konzeptpapier der Universität Flensburg (Februar 2012) entworfenen Vorstellungen um und geht in einigen Hinsichten sogar kreativ darüber hinaus.
These 7
Die von mir vorgeschlagene Version einer pragmatischen Medienpädagogik ist durch ihre medienökologische Schwerpunktsetzung charakterisiert. Sie hilft angehenden LehrerInnen dabei, sich ihre eigenen medialen Vorlieben bewusst zu machen, zu vertiefen und darüber hinas (wo dies gewünscht wird) auch blinde Flecken im eigenen Medienprofil durch gezieltes Kompetenztraining auszugleichen. Entsprechendes gilt für die vielfältigen (pädagogischen, künstlerischen, spirituellen, handwerklichen, begleitenden, therapeutischen und konditionellen) Tätigkeitstypen, die in den Schulen der Zukunft hoffentlich auf intelligente Art miteinander vernetzt werden.