Quelle: http://www.sandbothe.net/47.html
Prof. Dr. Mike Sandbothe
erschienen in: Interfaces - Interaktion - Performance. Zum Umgang mit digitaler Technik im Theater, hrsg. von Martina Leeker, Berlin: Alexander-Verlag 2000.
Im Kontext zeitgenössischer medienphilosophischer Reflexionen lassen sich zwei unterschiedliche Vorschläge für das Selbstverständnis der in Entwicklung befindlichen Disziplin der Medienphilosophie voneinander abgrenzen. Einerseits wird Medienphilosophie im Anschluß an die Fundierungsvorhaben, die im 19. und 20. Jahrhundert von Erkenntnis-, Wissenschafts- und Sprachphilosophie formuliert worden sind, als eine mögliche neue Fundamentaldisziplin innerhalb des Kanons der Fachphilosophie aufgefaßt. Andererseits wird das Projekt der Medienphilosophie mit einer transdisziplinären Neuorientierung des philosophischen Selbstverständnisses in Verbindung gebracht, die Richard Rorty als „pragmatische Wende“1 bezeichnet hat. Damit ist der Übergang zu einem Philosophieren gemeint, in dessen Zentrum nicht die theoretizistische Frage nach dem abbildenden oder konstruierenden Wirklichkeitsbezug menschlicher Erkenntnisleistungen, sondern die pragmatische Frage nach der Nützlichkeit unseres Denkens im Rahmen moralisch, politisch, kulturell und sozial zu bestimmender Handlungskontexte steht.
Meine Überlegungen gliedern sich in drei Teile. Im ersten Teil werden Grundzüge der theoretizisischen, im zweiten Teil Grundzüge der pragmatischen Konzeption von Medienphilosophie exponiert. Dies geschieht, indem ich beide Konzeptionen von Medienphilosophie durch ihr Verhältnis zu dem „linguistic turn“2 charakterisiere, den die moderne Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert vollzogen hat. Im dritten und letzten Teil meiner Überlegungen werde ich auf dieser Grundlage vor Augen führen, wie sich die Instrumente der theoretizischen Medienphilosophie pragmatisch reinterpretieren und auf veränderte Art und Weise nutzen lassen, um die sich im Internet vollziehende Pragmatisierung unseres Mediengebrauchs freizulegen und hinsichtlich ihrer möglichen soziopolitischen Implikationen auszuloten.
Im Zentrum der theoretizistischen Medienphilosophie steht der Versuch, den linguistic turn medientheoretisch zu unterlaufen und ihn auf tieferliegende Fundamente zu stellen. Dabei sind zwei Fundierungsbewegungen zu unterscheiden, die sich paradigmatisch am Beispiel von Jacques Derridas De la grammatologie (1967) vor Augen führen lassen. Derridas frühes Hauptwerk darf im Anschluß an die medienhistorischen Arbeiten von Harold A. Innis3 aus den fünfziger Jahren sowie die medienphilologischen Forschungen von Eric A. Havelock4 und die kultur- und medientheoretischen Reflexionen von Jack Goody, Ian Watt5 und Marshall McLuhan6 aus der ersten Hälfte der sechziger Jahre als Initialzündung der theoretizistischen Medienphilosophie gelten.
Die erste, vertikale Fundierungsbewegung, die Derrida in der Grammatologie vollzieht, unterläuft den linguistic turn, indem sie auf die materiale Verfaßtheit der mediengestützten Zeichensysteme rekurriert, in denen menschliche Wesen Sinn erzeugen und Wirklichkeit interpretieren. Derridas Überlegungen setzen bei der Auszeichnung an, welche die gesprochene Sprache im Denken des Abendlands seit jeher implizit und im Vollzug des linguistic turn schließlich explizit erfahren hat. Seiner Ansicht zufolge ergibt sich die medientheoretisch zu problematisierende These vom Vorrang der gesprochenen Sprache durch die spezifische Materialität oder besser: vermeintliche Immaterialität desjenigen Mediums, in dem sich Sprechen vollzieht. Um die spezifische Eigenart des Lautcharakters gesprochener Sprache in den Blick zu bringen, legt Derrida einen besonderen Akzent auf den Sachverhalt, daß wir, wenn wir einen Satz artikulieren, das Gesagte nicht nur als Mitteilung auf einen Kommunikationspartner hin veräußerlichen, sondern den artikulierten Satz zugleich immer auch in uns selbst vernehmen. Dieses für die menschliche Stimme charakteristische Phänomen bezeichnet Derrida als „System des ‚Sich-im-Sprechen-Vernehmens‘“.7
Die einseitige Ausrichtung des abendländischen Denkens an der Phänomenologie dieses Systems führt Derrida zufolge dazu, daß das Medium der „Lautsubstanz“8, in dem sich Sprechen vollzieht, „als nicht-äußerlicher, nicht-weltlicher, also nicht-empirischer oder nicht-kontingenter Signifikant“9 erscheint. Damit aber, so Derridas Kritik, wird die faktische Veräußerlichung, die sich nicht erst im Akt der an einen Gesprächspartner gerichteten Kommunikation, sondern bereits im Sich-im-Sprechen-Vernehmen selbst vollzieht, zugunsten der Hypostasierung einer innerlichen und unmittelbaren, d.h. medienfreien Präsenz des Sinns ausgeblendet. Diese von Derrida als „phonozentrisch“10 kritisierte Hypostasierung führt zu einer systematischen Unterbelichtung der medialen Komplexität, die der Gesamtverfassung menschlicher Rede eigen ist. Derrida hat damit exemplarisch den philosophischen Hintergrund problematisiert, aus dem sich die phonozentrisch argumentierende Medienschelte von Platons Schriftkritik bis hin zu den kulturkritischen Medientheorien von zeitgenössischen Autoren wie Jean Baudrillard, Paul Virilio, Neil Postman oder Joseph Weizenbaum speist.
Der phonozentrischen Ideologie von einem reinen und medienfreien System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens stellt Derrida seine grammatologische These von der verborgenen Schriftsignatur der gesprochenen Sprache entgegen.11 Zu diesem Zweck nimmt er die vom Phonozentrismus als Degradierung gemeinte Bestimmung der Schrift als supplementärer „Signifikant des Signifikanten“12 oder als tertiäres „Zeichen der Zeichen“13 beim Wort und verwendet sie dekonstruktiv als Modell für das Funktionieren der gesprochenen Sprache selbst. Auf dieser Grundlage erhält man „einen modifizierten Schriftbegriff“14, von dem Derrida auch als der „generalisierte[n] Schrift“15 oder der „Ur-Schrift“16 spricht. Die Ur-Schrift bezeichnet eine semiotische Verweisungsstruktur, derzufolge sich der Sinn eines jeden Zeichens – und d.h. auch der Sinn des gesprochenen Wortes, also die Bedeutung des Logos - aus der Relation zu anderen Zeichen ergibt. Diese zeichenrelationale Verweisungsstruktur, die Derrida auch als „différance“17 bezeichnet, dient ihm zugleich als Ausgangpunkt für die zweite, horizontale Fundierungsbewegung.
Diese unterläuft den linguistic turn, indem sie der gesprochenen Sprache eine Pluralität piktorialer, graphischer, taktiler, motorischer, akustischer und anderer Zeichensysteme als gleichberechtigte Dimensionen medialer Sinnkonstitution zur Seite stellt. In diesem Sinn hebt Derrida hervor, daß das Wort Schrift im zeitgenössischen Denken „nicht allein [verwendet wird] um die physischen Gesten der piktographischen, der ideographischen oder der Buchstabenschrift zu bezeichnen, sondern auch die Totalität dessen, was sie ermöglicht; dann über den Signifikanten hinaus das Signifikat selbst, sowie all das, was Anlaß sein kann für Ein-Schreibung überhaupt, sei sie nun alphabetisch oder nicht, selbst wenn das von ihr in den Raum Ausgestrahlte nicht im Reich der Stimme liegt: Kinematographie, Choreographie, aber auch ‚Schrift‘ des Bildes, der Musik, der Skulptur usw.“18 Das Eigenrecht und die Eigenständigkeit, aber auch die Gleichursprünglichkeit und transmediale Verflochtenheit der am Leitfaden des erweiterten Schriftbegriffs zu analysierenden Pluralität von medialen Zeichensystemen stehen im Zentrum der horizontalen Fundierungsbewegung, die Derrida zusammen mit seiner vertikalen Vertiefung des linguistic turn vollzieht. Beide Bewegungen unterlaufen den Phonozentrismus, indem sie die Bedingungen der Möglichkeit von Sinnkonstitution als Spiel von Differenzen dechiffrieren. Ein Spiel, das sich der formalen Figur der différance verdankt, die in sich selbst keinen Sinn hat, da sie sich aus der materialen Kontingenz derjenigen Medien ergibt, in denen und als die sie sich ereignet.
Derridas dekonstruktive Medienphilosophie darf als (in seinem Reflexionsniveau bisher kaum wiedererreichtes) Paradigma für eine Vielzahl von unterschiedlichen medientheoretischen Konzepten gelten, die gegenwärtig diskutiert werden. Das Spektrum reicht von Friedrich Kittlers19 Medienmaterialismus über die autopoietischen bzw. konstruktivistischen Medientheorien von Niklas Luhmann20 und Siegfried J. Schmidt21 bis hin zu einem breiten Feld von Autorinnen und Autoren, die Peter Koch und Sybille Krämer unter dem Stichwort einer „medienkritische(n) Wende in den Geisteswissenschaften“22 vereint sehen. Im Zentrum dieser medientheoretischen Entwürfe steht die theoretizistische Frage nach den Möglichkeitsbedingungen der Erzeugung von Sinn und der Konstitution von Wirklichkeit.
Als ‚theoretizistisch‘ bezeichne ich den gesamten Problemzusammenhang, weil darin von allen konkreten Interessenzusammenhängen und allen bestimmten Zielsetzungen menschlicher Gemeinschaften abstrahiert wird. Die theoretizistische Aufgabenbestimmung der Medienphilosophie als (wie Jochen Hörisch formuliert) „diensthabende Epochentheorie“23 zielt auf die Grundverfassung unseres Selbst- und Weltverständnisses insgesamt und damit auf einen Bereich, der hinter dem Rücken aller praktischen Nützlichkeitshorizonte liegen und diese selbst erst hervorbringen, begründen oder legitimieren soll. Im Unterschied zur theoretizistischen setzt die pragmatische Aufgabenbestimmung der Medienphilosophie inmitten von kulturell und historisch vorgegebenen praktischen Interessenzusammenhängen und soziopolitischen Zielsetzungen an. Was damit gemeint ist, möchte ich paradigmatisch am Beispiel ausgewählter Überlegungen vor Augen führen, die der Vordenker des amerikanischen Neopragmatismus, Richard Rorty, in den achtziger und neunziger Jahren vorgelegt hat.24
Rorty, der in den USA am Literature Department der Stanford University Vergleichende Literaturwissenchaft und Philosophie lehrt, hat die Grundgedanken eines im Anschluß an John Dewey politisch und aufklärerisch grundierten Pragmatismus unter den Bedingungen postmodernen Denkens systematisch reformuliert. Auf der von ihm bereitgestellten Basis lassen sich im Rekurs auf verstreute Bemerkungen, die sich in seinem Werk zum Medienthema finden, die Grundlinien einer pragmatischen Medienphilosophie entwickeln. Diese Grundlinien dienen im vorliegenden Zusammenhang als idealtypische und zeitgemäße Explikation einer intellektuellen Praxis, deren Implikationen für die Medienphilosophie systematisch bisher kaum ausreichend auf den Begriff gebracht worden sind. Diese Praxis ist in den USA durch die Debatte zwischen John Dewey25 und Walter Lippmann26, in Europa durch die Debatte zwischen Walter Benjamin27 und Theodor W. Adorno28 eröffnet worden. Sie durchzieht das zwanzigste Jahrhundert über die pragmatischen Medienreflexionen von Bert Brecht29, Siegfried Kracauer30 und Raymond Williams31 bis hin zu den bis in die Gegenwart reichenden Einlassungen von Hans Magnus Enzensberger32, Alexander Kluge33 und Jürgen Habermas34.
Anders als in der theoretizistischen geht es in der pragmatischen Aufgabenbestimmung von Medienphilosophie nicht um die dekonstruktive Vertiefung des linguistic turn. Statt dessen empfiehlt Rorty den zeitgenössischen Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftlern vielmehr, das Thema zu wechseln und den kulturalistisch reformulierten Problemstellungen der linguistischen Tradition durch die Entwicklung eines pragmatischen Vokabulars auszuweichen.35 Unter den Bedingungen des linguistic turn wurde sprachliche Kompetenz als die hermeneutische Fähigkeit aufgefaßt, innerhalb eines differentiell strukturierten bzw. holistisch konzipierten Zeichenschemas Inhalte zu formen und dadurch etwas als etwas kontextuell unterscheidbar und identifizierbar zu machen. Demgegenüber schlägt Rorty vor, „sprachliche Kompetenz als eine Art Know-how [zu] denken“36, d.h. als ein pragmatisches Instrumentarium, das es uns erlaubt, mit anderen Menschen und mit der nichtmenschlichen Umwelt zu interagieren.37
Auf der Grundlage eines solchermaßen pragmatisch gewendeten linguistic turn plädiert Rorty für einen Werkzeugbegriff des Mediums. Dabei werden Medien jedoch nicht – wie in der von Derrida zurecht kritisierten phonozentrischen Tradition – auf Werkzeuge zur sinnerhaltenden Übertragung von präexistenten Informationen reduziert. Vielmehr wird die Funktionsbestimmung des Mediums über den engen und für den Theoretizismus spezifischen Bereich der Bedingungen der Möglichkeit von Wirklichkeitserkenntnis hinaus auf den weiten Bereich menschlichen Handelns ausgedehnt. In diesem Sinn stellt Rorty heraus: „(...) auch wenn wir dem zustimmen, daß Sprachen keine Medien der Darstellung [der äußeren Realität – M.S.] oder des Ausdrucks [der inneren Realität – M.S.] sind, bleiben sie doch Medien der Kommunikation, Werkzeuge sozialer Interaktion, Weisen, uns an andere Menschen zu binden.“38 Menschliches Handeln wird von Rorty praktisch-politisch von den Gütern und Hoffnungen her verstanden, nach denen die Menschen in den westlichen Demokratien in den letzten zwei Jahrhunderten ihr öffentliches Verhalten – trotz aller Rückfälle und Fehler – zunehmend auszurichten gelernt haben. Bei diesen Gütern und Hoffnungen handelt es sich um die für das politische Projekt der Aufklärung charakteristischen soziopolitischen Ideale der Vermehrung von Solidarität und der Verminderung von Grausamkeit und Demütigung im Zusammenleben der Menschen.39
Vor dem Hintergrund dieser gerade in ihrer Kontingenz für uns heute zunehmend verbindlichen Ideale ergibt sich für Rorty die pragmatische Funktion der technischen Verbreitungsmedien aus dem Bestreben demokratischer Gesellschaften, „immer mehr Menschen in die eigene Gemeinschaft einzubeziehen.“40 Um Solidarität zu vermehren und Grausamkeit sowie Demütigung zu vermindern, bedarf es nach Rorty keiner tiefgreifenden Moralbegründung. Denn „die moralische Entwicklung des einzelnen und der moralische Fortschritt der menschlichen Spezies insgesamt beruhen darauf, daß menschliche Ichs so umgestaltet werden, daß die Vielfalt der für diese Ichs konstitutiven Beziehungen immer umfassender wird.“41 Bei der pragmatischen Umsetzung dieses demokratischen Universalisierungsprojekts spielen aus Rortys Sicht die Medien eine wichtige Rolle. Im Zentrum steht dabei für Rorty die praktische Wirksamkeit, die von erzählerischen Medien wie "Roman, Kino und Fernsehen"42 ausgehen kann. Dabei geht es Rorty in erster Linie um die Inhalte, also die konkreten Erzählungen, die von den Medien angeboten werden. Sie sollen dazu beitragen, den Prozeß voranzubringen, „in dessen Verlauf wir allmählich andere Menschen als 'einen von uns' sehen statt als 'jene'."43
Versucht man Rortys Medienbemerkungen über Rorty hinaus für eine anspruchsvolle Konzeption pragmatischer Medienphilosophie nutzbar zu machen, ergibt sich ein veränderter Blick auf das Gesamtgefüge der unterschiedlichen Mediensorten. Das System der Medien im weiten Sinn setzt sich zusammen aus sinnlichen Wahrnehmungsmedien (wie Raum und Zeit), semiotischen Kommunikationsmedien (wie Bild, Sprache, Schrift und Musik) sowie technischen Verbreitungsmedien (wie Buchdruck, Radio, Fernsehen und Internet).44 Während theoretizistische Medienphilosophien den Schwerpunkt ihrer linguistischen, grammatologischen oder bildtheoretischen Forschungen zumeist im Bereich der semiotischen Kommunikationssmedien haben, akzentuiert eine pragmatisch orientierte Medienphilosophie den Peripheriebereich der technischen Verbreitungsmedien. Aus pragmatischer Perspektive erweist sich die medienpolitische Ausgestaltung gerade dieses äußeren Bereichs als zentraler Ansatzpunkt für die Ermöglichung langfristiger Veränderungen im Bereich der Wahrnehmungs- und Kommunikationsmedien.
Interpretiert man die technischen Medien der Moderne als Maschinen, mit deren Hilfe sich ganze Gesellschaften neue Weisen der sinnlichen und semiotischen Welterzeugung aneignen können, dann wird klar, daß Fragen der Medienpolitik unmittelbar medienphilosophische Dimensionen und philosophische Medientheorien eminent politische Aspekte haben. Pragmatische Medienphilosophie in diesem anspruchsvollen Sinn nimmt zwar Abstand von dem theoretizistischen Programm einer wissenschaftlichen Begründung unserer soziopolitischen Handlungshorizonte. Das bedeutet jedoch nicht, daß sie auf philosophische Tiefenschärfe insgesamt Verzicht leistet. Dieser Folgerung, die von Rortys Plädoyer für eine „post-Philosophical culture“45 nahegelegt wird, setzt sie vielmehr den Versuch entgegen, das medientheoretische Analyse-Instrumentarium pragmatisch zu nutzen, das von Derrida und den Verfechtern der theoretizistischen Medienphilosophie zur Verfügung gestellt wird.
Das Projekt einer in diesem Sinn integralen Medienphilosophie zielt darauf, die medieninduzierten Transformationen des Common sense experimenteller Erforschung zugänglich zu machen, um auf dieser Grundlage die medialen Veränderungen unserer Alltagsepistemologie zu den politisch-praktischen Zwecken einer aufklärerisch-demokratischen Gestaltung menschlichen Zusammenlebens in Beziehung zu setzen. Wie sich dieses Projekt unter den Bedingungen des aktuellen Medienwandels in die Praxis umsetzen läßt, möchte ich im Schlußteil meiner Ausführungen anhand einiger exemplarischer Überlegungen zur pragmatischen Medienphilosophie des Internet vor Augen führen.46
Zur Freilegung der sich im Internet vollziehenden Pragmatisierung unseres Mediengebrauchs gehe ich von einer Frage aus, die Peter Koch und Sybille Krämer in der Einleitung zu dem von ihnen 1997 herausgegebenen Band Schrift, Medien, Kognition gestellt haben. Die Frage bezieht sich auf die dem Computer zugrundeliegende digitale Programmierungstechnologie und lautet: „Kann die Bindung der Schrift an die Visualisierung von Sprache noch aufrechterhalten werden, wenn die ‚unaussprechliche‘ Schrift des Binäralphabets zum neuen ‚Universalmedium‘ avanciert?“47 Die solchermaßen formulierte Frage suggeriert eine Antwort, die darauf hinausläuft, daß mit dem digitalen Code ein Paradigma bzw. ein neues „Universalmedium“48 aufgetreten sei, daß die traditionelle Rede von der phonetischen Schrift obsolet erscheinen lasse. Bei dieser von Koch und Krämer zwar nicht offensiv verfochtenen, aber sachlich nahegelegten Antwort handelt es sich um einen medienmaterialistischen Fehlschluß, der in der aktuellen Medientheorie weit verbreitet ist.49 Die theoretizistische Grundlage dieses Fehlschlusses wird von Koch und Krämer im Anschluß an Friedrich Kittler affirmativ als „informationstheoretischer Materialismus“50 beschrieben.51Dem Fehlschluß, daß mit dem Auftreten des digitalen Codes als neuem Schriftparadigma die Existenz der phonetischen Schrift problematisch geworden sei, ist entgegenzuhalten, daß die Verwendung der phonetischen Schrift auch unter Computerbedingungen selbstverständlich weiterhin als Verwendung der phonetischen Schrift stattfindet. Zwar dient im Computer der digitale Code auf der technischen Ebene dazu, die phonetische Schrift medial darstellbar zu machen – aber die Nutzung der phonetischen Schrift löst sich auf der pragmatischen Gebrauchsebene deshalb nicht in die Praxis eines digitalen Programmierens auf. Im Gegenteil. Die phonetische Schrift erfährt unter Internetbedingungen eine neue Konjunktur und zugleich eine charakteristische Transformation.52
Auf die Einzelheiten dieser Transformation werde ich noch zu sprechen kommen. Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die digitale Basis, die unter Computerbedingungen nicht nur als technische Grundlage für die Verwendung der phonetischen Schrift, sondern auch als Grundlage für den Gebrauch unserer Kommunikations- und Wahrnehmungsmedien insgesamt fungiert. Bei der digitalen Codeschrift handelt es sich um ein Medium, das alle anderen Medien – Sprache, phonetische Schrift, Bild, Musik, Audiovision usw. – zu umgreifen, zu reproduzieren und miteinander zu verflechten erlaubt. Das geschieht der Sache nach bekanntlich so, daß alle digital prozessierten Daten, Befehle und Adressen rechnerintern als Folgen von 0 und 1 verschlüsselt werden. Mit Blick auf die Pragmatisierungsthese sind hier zwei Aspekte von Bedeutsamkeit, die sich im Rückgriff auf Kittlers Beschreibung der Grundsignatur des digitalen Codes entwickeln lassen, die als solche treffend und von seinem medienmaterialistischen Fehlschluß nicht betroffen ist.
Der erste Aspekt ergibt sich aus dem Sachverhalt, daß die Möglichkeit, heterogene Mediensorten via Digitalisierung miteinander in Beziehung zu setzen und zu verknüpfen, selbst bereits eine spezifisch pragmatische Dimension enthält. So stellt John Dewey in Die Suche nach Gewißheit die seiner Sicht zufolge genuin pragmatische Verfassung der modernen Naturwissenschaften heraus, wenn er schreibt: „Das Alltagswissen kann hier und da Dinge als Zeichen und bezeichnetes Ding in Gestalt isolierter Paare verknüpfen. Aber es ist außerstande, sie so miteinander zu verbinden, daß wir vom einen zum anderen übergehen können. Die Homogenität wissenschaftlicher Gegenstände durch die Formulierung in Begriffen von Relationen von Raum, Zeit und Bewegung ist genau das Mittel, das dieses unbestimmt breite und flexible Schema von Übergängen möglich macht. (...). Ideen von Gegenständen, die auf der Basis der Beziehungen formuliert sind, in denen Veränderungen zueinander stehen, haben gemeinsame Maße, schaffen breite, glatte Bahnen, mit deren Hilfe wir von dem Gedanken des einen Teils der Natur zu dem jedes anderen reisen können. Im Idealfall zumindest können wir von jeder Bedeutung – oder Relation - , die wir irgendwo in der Natur finden, zu jeder überall sonst zu erwartenden Bedeutung reisen."53
Eine analoge Beschreibung liefert Kittler in seinem Beitrag zu Schrift, Medien, Kognition für die transmedialen Verflechtungsleistungen der digitalen Technologie. Im Unterschied zum mathematisch-quantifizierenden Wissenscode der modernen Naturwissenschaften ermöglicht der digitale Maschinencode der modernen Computertechnologie nicht nur die symbolische Verbindung von einzelnen Wissensinhalten, sondern die technische Vernetzung der Medien selbst, in denen verschiedene Formen des Wissens gespeichert sind und via Digitalisierung unterschiedlichen Modi des Handelns und Bearbeitens zugänglich gemacht werden können. Kittler schreibt: „Weil in Digitalsystemen Daten, Adressen und Befehle ihre materielle Existenz allesamt an Binärzahlen haben, kann jedes Element eineindeutig in jedes andere Element überführt werden.“54 Und das bedeutet, so weiter Kittler, daß die „drei Funktionen der Verarbeitung, der Übertragung und der Speicherung“55 flexibel ineinander überführbar werden.
Damit hängt der zweite Aspekt des digitalen Codes zusammen, der für die hier verfolgte Pragmatisierungsthese von besonderer Bedeutung ist. Ihn hat Kittler an anderer Stelle am Beispiel einer DOS-Version des Textverarbeitungsprogramms Word Perfect verdeutlicht. Kittler untersucht unseren Umgang mit diesem Programm unter dem Stichwort „postmodernes Schreiben“56 und stellt dabei heraus, daß „unaussprechliche, von Vokalen tunlichst befreite Abkürzungen und Akronyme (...) dem Alphabet erstmals seit seiner Erfindung wieder magische Kräfte zuzuführen (scheinen).“57 Was er damit meint, erläutert Kittler, indem er den sich im „postmodernen Schreiben“ vollziehenden Übergang von der theoretischen Repräsentation von abstraktem Sinn zur praktischen Abarbeitung von konkreten Arbeitsaufgaben wie folgt in den Blick bringt: „Das Kürzel WP nämlich tut, was es sagt. Im Unterschied nicht nur zum Wort Word Perfect, sondern auch zu leeren alteuropäischen Wörtern wie Geist oder Wort umfassen ausführbare Computerdateien alle Routinen und Daten, die zu ihrer Realisierung notwendig sind. Der Schreibakt, auf einer AT-Konsole die Tasten W,P und Enter anzutippen, macht zwar das Wort nicht vollkommen, startet aber doch einen aktuellen Lauf von Word Perfect.“58
Interessant an der von Kittler hier in den Blick gebrachten performativen Verwendung der phonetischen Schrift ist der Sachverhalt, daß die phonetische Schrift in diesem Beispiel nicht länger primär als Abbildung einer auf Repräsentation zielenden Lautsprache fungiert. Statt dessen arbeitet sie in der Logik des digitalen Codes als ein Werkzeug, das zur Durchführung praktischer Aufgaben in den Programmwelten des Computers dient. Darin kommt auf einer sehr basalen Ebene die pragmatische Grundsignatur der digitalen Computertechnologie zum Ausdruck. Der auf die phonetische Schrift ausgeweitete Umgang mit dem digitalen Code führt uns unmittelbar vor Augen, daß Zeichen nicht nur und nicht in erster Linie dazu da sind, nichtzeichenhafte Bedeutungen zu repräsentieren, sondern vielmehr auch dazu dienen können, Zeichen mit anderen Zeichen in Verbindung zu setzen und Handlungsroutinen, auf die via Zeichenverweisung verwiesen wird, auszulösen bzw. zu koordinieren.
Dabei ist gegen den medienmaterialistischen Fehlschluß, den Kittler im Fortgang seiner Überlegungen vollzieht, darauf hinzuweisen, daß sich auf digitaler Grundlage der Umgang mit unseren Kommunikations- und Wahrnehmungsmedien insgesamt verändert, ohne daß diese in das vermeintliche Universalmedium des digitalen Codes aufgelöst werden. Was damit gemeint ist, läßt sich verdeutlichen, wenn man die Idee einer basalen Pragmatisierung unseres Zeichenumgangs, die von Kittler am Beispiel des digitalen Codes entwickelt worden ist, auf unseren Mediengebrauch im Internet so überträgt, daß die Differenzen zwischen dem digitalen Code und den durch ihn miteinander verflochtenen Mediensorten erhalten bleiben. Zu diesem Zweck schlage ich eine pragmatische Reinterpretation des von Derrida entwickelten Instrumentariums der theoretizistischen Medienphilosophie vor.
Die amerikanische Computersoziologin Sherry Turkle hat 1995 unter dem Titel Life on the Screen. Identity in the Age of the Internet ein Buch publiziert, das bereits jetzt als Klassiker der kulturwissenschaftlich orientierten Internetforschung gelten darf. In diesem Buch vertritt die Autorin die These, daß die von Derrida formulierten Sachverhalte durch die konkret erfahrbaren Verhältnisse im Internet für den Common sense auf einfache Weise nachvollziehbar werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen in den achtziger Jahren bereits George P. Landow und Jay David Bolter in ihren Untersuchungen zu den hypertextuellen Grundstrukturen elektronischer Textualität. So stellt Landow in seinem Buch Hypertext. Convergences of Contemporary Critical Theory and Technology heraus, daß „something that Derrida and other critical theorists describe as part of a seemingly extravagant claim about language turns out precicely to describe the new economy of reading and writing with electronic virtual (...) forms.“59 Und Bolter macht in seinem Buch Writing Space. The Computer, Hypertext, and the History of Writing klar, daß „the electronic medium can demonstrate easily what Derrida could only describe laboriously in print (...).“60 Was Turkle, Landow und Bolter dabei im Blick haben, möchte ich im folgenden anhand der beiden von Derrida in der Grammatologie vollzogenen Fundierungsbewegungen konkretisieren. Zugleich soll auf diesem Weg gezeigt werden, daß die dekonstruktivistische Transformation, die der Common sense unter Internetbedingungen erfährt, mit einer pragmatischen Neukonfiguration unseres alltäglichen Mediengebrauchs verbunden ist, die sich im Rückgriff auf den von Rorty vorgeschlagenen Werkzeugbegriff des Mediums beschreiben läßt.
Im Zentrum von Derridas vertikaler Fundierungsbewegung steht die These von der verborgenen Schriftsignatur der gesprochenen Sprache. Sie wird im Internet für den Common sense auf zwei unterschiedlichen Ebenen nachvollziehbar. Die erste Ebene ist die für Computer allgemein grundlegende technisch-informatische Ebene des digitalen Codes. Sie ist im Internet nicht nur für die Expertin relevant, sondern kann mit Hilfe der entsprechenden Software auch zum Bestandteil des alltäglichen Mediengebrauchs des Computerlaien werden. Der Zugriff auf den digitalen Code, der beim Umgang mit akustischem Datenmaterial (z.B. im Rahmen der Internettelefonie) stattfindet, läßt die grammatologische Verfassung, die der lautlichen Materialität der gesprochenen Sprache unter Computerbedingungen zugrunde liegt, exemplarisch ins Bewußtsein treten. Dies geschieht auf signifikante und explizite Weise insbesondere dann, wenn wir eine stimmliche Lautsequenz mit den entsprechenden Editorprogrammen als digitale Skriptur wahrnehmen und auf dieser Grundlage aktiv bearbeiten und modulieren. Im Kontext solcher Erfahrungen, die durch das Internet zunehmend alltäglich werden, tritt die menschliche Stimme in ihrer medialen Materialität hervor, so daß sie dem internettrainierten Common sense nicht länger als vermeintlich medienfreies „System-des-sich-im-Sprechen-Vernehmens“61 erscheint, sondern als ein technisch grundiertes Medium unter anderen technisch grundierten Medien.
Die zweite Ebene, auf der im Internet die differentielle Struktur der Schrift als Paradigma für das Funktionieren von Sprache überhaupt ins Bewußtsein tritt, ist die kulturelle Ebene unseres konkreten Umgangs mit der phonetischen Schrift im Rahmen der synchronen Kommunikationsdienste des Internet Relay Chat, der MUDs und MOOs. Um diesen Umgang in seiner Spezifität angemessen in den Blick zu bringen, ist es hilfreich, den Gebrauch der phonetischen Schrift, wie er in den genannten Kommunikationsdiensten üblich ist, von den klassischen Schriftverwendungsweisen abzugrenzen, die sich im Gutenbergzeitalter etabliert haben. Unter den medialen Bedingungen des technischen Verbreitungsmediums des Buchdrucks schließt unser Gebrauch der phonetischen Schrift reziproke Interaktion mehr oder weniger aus.62 Ist doch der Gebrauch der Schrift in den meisten Verwendungskontexten innerhalb der Gutenbergwelt asynchron, unilinear und monologisch strukturiert. Unter den medialen Bedingungen des technischen Verbreitungsmediums des Internet erfährt die Schrift demgegenüber durch den synchronen, reziproken und interaktiven Gebrauch, der von ihr in der Computer Mediated Communication gemacht wird, eine charakteristische Rehabilitierung.
Zugleich wird der Sinnererzeugungsmechanismus der différance durch das medienspezifische Wechselverhältnis, in das Sprache und phonetische Schrift im Internet treten, für den Common sense transparent. Im Online-Chat fungiert Sprache als Schrift, d.h. das gesprochene bzw. zu sprechende Wort realisiert sich im Schreiben als Zeichen von Zeichen. Dieses performative Schreiben eines Gesprächs, in dem Sprache interaktiv geschrieben statt gesprochen wird, läßt sich als „Verschriftlichung der Sprache“63 beschreiben. Zugleich fungiert Schrift im Online-Chat als interaktiv modellierbares und kontextuell situiertes Schreiben von Sprache. Die darin zum Ausdruck kommende Transformation im Gebrauch der phonetischen Schrift läßt sich als „Versprachlichung der Schrift“64 beschreiben. Das geschriebene Wort wird nicht länger als Zeichen eines authentischen, selbst vermeintlich nicht mehr zeichenhaften Zeichens mißdeutet. Es wird vielmehr als Zeichen von Zeichen von Zeichen usw., d.h. als unendlicher semiotischer Verweisungszusammenhang verstanden, der allein durch einen pragmatischen Abbruch zu einem relativen Ende gebracht werden kann.
Eine über diese Neukonfiguration des Verhältnisses von Sprache und Schrift noch hinausgehende Transformation erfährt unser Schriftgebrauch im World Wide Web. Der phonetischen Schrift treten unter den für das Web charakteristischen Hypertextbedingungen nichtphonetische Schrifttypen gleichberechtigt zur Seite. In Hypertexten werden Zeichen aller Art als Icons, d.h. als Signifikanten programmierbar, die auf der pragmatischen Ebene via Mausklick eine nicht mehr nur symbolische, sondern reale Verbindung zu dem herstellen, was sie bezeichnen. Dadurch wird für den Common sense unmittelbar deutlich, daß Zeichen nicht nur und nicht in erster Linie dazu da sind, zeichenhafte oder nichtzeichenhafte Bedeutungen zu repräsentieren. Das war die mediale Suggestion der repräsentationalistisch organisierten Gutenbergwelt, die – auf laufende Bilder übertragen – sich in der Logik der Reality-TV-Kultur fortschreibt, welche die letzten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts bestimmt hat. An die Stelle dieser Suggestion tritt unter Internetbedingungen eine Zeichenpraxis, derzufolge Zeichen vorrangig dazu dienen, Zeichen mit anderen Zeichen in Verbindung zu setzen, um konkrete (reale oder virtuelle) Handlungen, auf die via Zeichenverweisung verwiesen wird, auszulösen bzw. zu koordinieren. So reicht in der digitalen Buchhandlung Amazon.com ein Klick auf den Button mit der Aufschrift „Buy 1 Now With 1 Click“, und ich erhalte – vorausgesetzt, daß ich als Kunde mit Adresse und Kreditkartennummer im Server archiviert bin - umgehend die folgende Antwort: „Thank you for your 1-Click order! (Yes, it was that easy.) One copy of the book you ordered will be sent to you as soon as possible.“
Selbstverständlich ist die Tatsache, daß wir durch den Austausch von Schriftzeichen Bücher bestellen können, kein ausgezeichnetes Charakteristikum des World Wide Web. Wir können einen solchen Bestellvorgang ja auch per Briefpost oder Fax durchführen. Das Besondere liegt darin, daß durch das Web die pragmatische Dimension unseres Mediengebrauchs durch die unmittelbare Antwort, die unsere Bestellung in einem interaktiven System erfährt, explizit und bewußt gemacht wird. Fast für alle Eigenschaften, die den Mediengebrauch im Internet im Verhältnis zu unseren alltäglichen, nichtdigitalen Zeichenverwendungen als etwas Besonderes auszeichnen, gilt, daß diese Eigenschaften keinesfalls radikale Neuheiten sind, sondern Sachverhalte explizit und bewußt werden lassen, die im alltäglichen Mediengebrauch implizit und unbewußt geschehen. Insofern kann man sagen, daß die dekonstruktive Verfassung von Sinn und Bedeutung, die von der Präsenz der (sich selbst vernehmenden) Stimme und der aus dieser abgeleiteten Autorität des gedruckten Wortes systematisch verdeckt wird, vor dem Hintergrund der pragmatischen Einbettung, die unser Mediengebrauch im Internet erfährt, als performativ nachvollziehbare Evidenz erscheint.
Auch die zweite, also die horizontale Fundierungsbewegung führt im Kontext des Internet zu einer grundlegenden Pragmatisierung unseres alltäglichen Mediengebrauchs. Die transmediale Verflochtenheit von Bild, Sprache und Schrift wird auf der kulturellen Gebrauchsebene der Internetnutzung zu einer für den Common sense auf einfache Weise nachvollziehbaren Evidenz. Für Sprache und Schrift wurde das bereits anhand der kulturellen Praktiken, die sich im Rahmen der synchronen Kommunikationsdienste des Internet entwickeln, vor Augen geführt. Parallele Verflechtungsbewegungen zeichnen sich im Word Wide Web zwischen Bild und Schrift ab. So werden piktoriale Zeichen als Verweisungen programmierbar, die in den konkreten Handlungsraum des pragmatischen Netznutzungsgeschehens eingebunden sind. Wenn wir Schriftzeichen lesen, lesen wir nicht jeden Buchstaben und jedes Wort als etwas, das aufgrund irgendeiner Ähnlichkeitsrelation zu etwas Außersprachlichem in Beziehung steht. Wir lassen uns beim Lesen vielmehr von einem Buchstaben zum nächsten, von einem Wort zum nächsten, von einem Satz zum nächsten usw. verweisen. Eine solche flottierende Lektüreform spielt sich im World Wide Web auch beim Umgang mit hypertextuell vernetzten Bildzeichen ein. Wir lesen das Bild als ein differentielles, also schriftartiges Zeichen, das uns nicht nur semantisch, sondern auch und vor allem pragmatisch, d.h. durch einen einfachen Mausklick auf andere Zeichen und vermittelt über diese auf virtuelle oder reale Handlungskontexte verweist.
Diese internetspezifische Art und Weise des Umgangs mit Bildern läßt sich als „Verschriftlichung des Bildes“ 65 beschreiben. Sie kommt in den Blick, wenn man sich die diachrone Bewegung vergegenwärtigt, welche die Nutzerin im Web von einem Link zum anderen vollzieht. Eine gegenläufige Verflechtungsbewegung, die sich als „Verbildlichung der Schrift“66 beschreiben läßt, tritt demgegenüber auf, wenn der Internetnutzer eine einzelne Webseite synchron wahrnimmt und selektiv auswertet. Auf hypertextuell anspruchsvollen Webseiten fungieren die Links als Schnittstellen, die den linearen Zeichenfluß des einzelnen Textes konterkarieren und sich als gedankliche Knotenpunkte anbieten, die der Leserin und dem Leser die Möglichkeit geben, im Vollzug der Lektüre die individuelle Konstellation des Textes, d.h. die Abfolge von Textbausteinen und den unmittelbaren Anschluß an Inter-, Para-, Meta- und Hypotexte67 aktiv mitzugestalten. In eine derartige Lektüre gehen Wahrnehmungsformen ein, die wir aus der Rezeption von Bildern kennen. Bei der Wahrnehmung eines Bildes werden wir - anders als bei der Lektüre eines Buchs - nicht von vornherein dazu verführt, einem linearen Abfolgepattern des Zeichenarrangements zu folgen. Die piktorialen Elemente, aus denen sich ein Bild zusammensetzt, eröffnen vielmehr unterschiedliche Muster der translinearen Rezeption und damit unterschiedliche Formen der Lektüre und der Konstruktion des Bildes als sinnhafter Einheit.68 Das hypertextuelle Zeichengeflecht des World Wide Web läßt sich vor diesem Hintergrund in seiner Gesamtverfassung als eine bildhafte Struktur, d.h. als ‘textuelles Bild’ oder ‘Textbild’ beschreiben.69 Dessen Signatur ist pragmatisch grundiert. Es steht nicht primär für eine zeichenhafte oder nichtzeichenhafte Realität, die es konstruiert oder abbildet, sondern es funktioniert als ein digitales Kommunikationswerkzeug, das die semiotischen Verweisungszusammenhänge, die unter theoretizistischen Vorzeichen als Ausdrucks- und Darstellungsmedien fungieren, pragmatisch zur Koordination zwischenmenschlicher Handlungen nutzt.
Der entscheidende Punkt dabei ist die Pragmatisierung unseres Mediengebrauchs, durch welche die transmedialen Verflechtungen, die zwischen den unterschiedlichen Kommunikationsmedien im Internet entstehen, erst ermöglicht werden. Der dekonstruktive Sinnerzeugungsmechanismus der différance, durch den Bild, Sprache und Schrift transmedial miteinander verflochten sind, tritt unter Internetbedingungen nicht theoretizistisch als Selbstzweck zu Tage, sondern erweist sich als Aspekt eines pragmatischen Mediengebrauchs, in dem es um die Koordination zwischenmenschlicher Handlungen geht. Die pragmatische Rückbindung der dekonstruktiv verstandenen Sinndimension unseres Mediengebrauchs, die sich im Internet vollzieht, ist dabei nicht mit einer Abschaffung des Sinns gleichzusetzen. Vielmehr wird die Bedeutung eines Zeichens unter Internetbedingungen auf neue Weise im Kontext der Handlungsvollzüge bestimmbar, in denen es in einem handwerklichen Sinn etwas zu bewegen vermag. Sie wird also nicht länger theoretizistisch als Eigenwert des Zeichens, sondern als Funktion innerhalb des semiotischen Verweisungsgeschehens und als Werkzeug innerhalb des sprachlich erschlossenen Handlungszusammenhangs realisierbar und auf konkrete Weise verständlich. Dies wir möglich, weil der Übergang von einer durch Buchdruck und Fernsehen geprägten zu einer durch das Internet geprägten Medienkultur mit dem Übergang von einer theoretizistischen zu einer pragmatischen Mediensignatur zusammenfällt, die auf der Tiefenebene des Common sense zu einer Pragmatisierung unserer Alltagsepistemologie führen kann. Deren mögliche soziopolitische Implikationen möchte ich abschließend andeuten.
Die für weite Teile der Bevölkerung charakteristische politische Indifferenz, die in der geringen Wahrnehmung politischer Partizipationsmöglichkeiten zum Ausdruck kommt, ist durch die theoretizistische Grundsignatur mitgeprägt, die dem alltäglichen Welt- und Selbstverständnis durch die monologischen und unilinearen Nutzungsformen nahegelegt wird, die sich im Umgang mit den Leitmedien Presse und Rundfunk etabliert haben. Den Rezipientinnen und Rezipienten der traditionellen Massenmedien erscheint die von diesen vermittelte Welt als eine Wirklichkeit, die es nicht eigentlich handelnd zu verändern, sondern abbildend oder konstruierend zu erkennen gilt. Demgegenüber kann der Umgang mit dem Internet in the long run dazu beitragen, daß sich im Common sense eine auf zwischenmenschliche Interaktion und gemeinsame Wirklichkeitsgestaltung ausgerichtete pragmatische Grundhaltung sedimentiert. Insofern kann man sagen, daß die faktische Freisetzung und effektive Nutzung der vielfältigen Demokratisierungspotentiale, die das neue Verbreitungsmedium Internet in sich birgt70, wesentlich auch davon abhängt, in welchem Maße sich die pragmatische Tiefendimension des Netzes im Rahmen des digitalen Gesamtmediensytems erhalten bzw. weiterentwickeln läßt, zu dem sich Presse, Radio, Fernsehen und Video mit dem Internet verflechten.
Die möglichen kulturellen, politischen und sozialen Implikationen, die sich aus den erwähnten Veränderungstendenzen in unserem Umgang mit Medien ergeben können, lassen sich nicht leicht fassen und bewegen sich unter den Bedingungen der sich gegenwärtig vollziehenden Kommerzialisierung des Internet sehr schnell im Bereich der Utopie. Gleichwohl sind gerade diese möglichen Konsequenzen aus der Perspektive pragmatischer Medienphilosophie, die meine Arbeit leitet, von entscheidender Bedeutung. Ich denke dabei selbstverständlich auch an Konsequenzen, die unter den politisch veränderten Bedingungen der Gegenwart in eine Richtung weisen, die von Brecht bereits für das Radio markiert worden ist. Brecht schreibt: „Was immer der Rundfunk aber unternimmt, sein Bemühen muß es sein, jener Folgenlosigkeit entgegenzutreten, die beinahe alle unsere öffentlichen Institutionen so lächerlich macht.“ Und Brecht fährt fort: „Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist.“71
Unter Gegenwartsbedingungen könnte eine zynisch zugespitzte Antwort auf Brechts Frage lauten: Es ist utopisch, weil diejenigen, die für die reflektierte Einklagung der Umsetzung soziopolitischer Entwicklungspotentiale der modernen Medien zuständig wären – die Künstler und Intellektuellen – in den letzten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts (abgesehen von wenigen Ausnahmen) Schritt für Schritt abgedankt haben. An die Stelle eines intelligenten politischen Diskurses, der sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, ist heute insbesondere in der deutschen akademischen Landschaft über weite Strecken ein theoretizistischer Mediendeterminismus getreten. Für seine Vertreter tauchen soziopolitische Veränderungen nur noch post festum als Effekte einer historischen Eigendynamik von vermeintlich autonom gewordenen Medienmaschinen auf. Letztere nehmen im Denken des Mediendeterminismus die materialistisch gewendete Position platonischer Ideen ein, d.h. fungieren dogmatisch als Instanzen einer nur noch medienhistorisch zu rekonstruierenden letzten Referenz, die sich selbst nicht mehr hinterfragen läßt.
Es steht zu hoffen, daß die Erfahrungen, die wir mit dem Internet machen können, nicht nur den Common sense ein Stück weit repolitisieren, sondern auch die eingefleischten Theoretizismen einer akademischen Kultur in Bewegung bringen, die sich aufgrund einer Reihe von überzeugenden Argumenten, die sich gegen den philosophischen Humanismus rationalistischer Denksysteme richteten, nicht nur von diesem, sondern auch vom politischen Humanismus der Aufklärung abgewendet hat. Eine intelligente und philosophisch anspruchsvolle Medienpolitik im Zeitalter des Internet könnte und sollte mehr sein als ein theatrales Oberflächendesign digitaler Schnittstellen, das medienmaterialistisch davon ausgeht, daß das Gesicht des Menschen einzig als technisches Inter-Face, d.h. nur noch in der Logik der Maschinen persistiert.
1 Richard Rorty, Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1987, S. 168 (im Original zuerst: Philosophy and the Mirror of Nature, Princeton/New Jersey, Princeton University Press, 1979).
2 Gustav Bergmann, Two Types of Linguistic Philosophy, in: ders., The Metaphysics of Logical Positivism, New York und London, Longmans & Green, 1954, S. 106-131, hier: S. 106 u.ö. (zuerst in: The Review of Metaphysics, Bd. 5, März 1952, S. 417-438, hier: S. 417 u.ö.). Siehe auch The Linguistic Turn. Essays in Philosophical Method, hrsg. von Richard Rorty, Chicago, The University of Chicago Press, 1967.
3 Harold A. Innis, Empire and Communications, Oxford, Oxford University Press, 1950; ders., The Bias of Communication, London und Toronto, Toronto University Press, 1951.
4 Eric A. Havelock, Preface to Plato, Cambridge (Mass.) und London, Harvard University Press 1963.
5 Jack Goody und Ian Watt, Konsequenzen der Literalität, in: dies. und Kathleen Gough, Entstehung und Folgen der Schriftkultur, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1986, S. 63-122 (im Original zuerst in: Comparative Studies in Society and History, Bd. 5, 1963, S. 304-345).
6 Marshall McLuhan, Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters, Düsseldorf und Wien, Econ, 1968 (im Original zuerst.: The Gutenberg Galaxy. The Making of Typographic Man, London und Toronto, Toronty University Press, 1962); ders., Die magischen Kanäle. Understanding Media, Düsseldorf und Wien, Econ, 1968 (im Original zuerst: Understanding Media. The Extensions of Man, London und New York, McGraw-Hill, 1964).
7 Jacques Derrida, Grammatologie, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1983, S. 19 (im Original zuerst: De la grammatologie, Paris, Les Éditions Minuit, 1967)
8 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 19.
9 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 19.
10 Vgl. Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 25f.
11 Eine einflußreiche Rekonstruktion von Derridas Übergang vom Phonozentrismus zum Denken der Schrift, auf die sich auch die folgenden Ausführungen stützen, hat Wolfgang Welsch vorgelegt (Wolfgang Welsch, Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1995, S. 245-302, insbes. S. 253-274).
12 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 17.
13 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 75.
14 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 97.
15 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 97.
16 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 99.
17 Vgl. hierzu ausführlich Jacques Derrida, Die différance, in: ders. Randgänge der Philosophie, Wien, Passagen, 1988, S. 29-52 (im Original zuerst in: Bulletin de la Société française de philosophie, Juli-September 1968).
18 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 21.
19 Friedrich Kittler, Grammophon-Film-Typewriter, Berlin, Brinkmann & Bose, 1986; ders. Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig, Reclam 1993; ders., Aufschreibesysteme 1800/1900, München, Fink, 3. vollst. überarbeitete Auflage, 1995.
20 Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Opladen, Westdeutscher Verlag, 2. erweiterte Auflage, 1996; ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1997, insbes. Bd. 1, Kapitel 2: Kommunikationsmedien, S. 190-412.
21 Siegfried J. Schmidt, Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1994; ders., Die Welten der Medien. Grundlagen und Perspektiven der Medienbeobachtung, Braunschweig und Wiesbaden, Vieweg, 1996.
22 Peter Koch und Sybille Krämer, Einleitung, in: dies., Schrift, Medien, Kognition. Über die Exteriorität des Geistes, Tübingen, Stauffenburg Verlag, 1997, S. 12.
23 Jochen Hörisch, Ende der Vorstellung. Die Poesie der Medien, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1999, S. 222.
24 Zur Vorgeschichte der pragmatischen Medienphilosophie bei Peirce, James, Dewey, Nietzsche und Wittgenstein vgl. Mike Sandbothe, Pragmatismus und philosophische Medientheorie, in: Repräsentation und Interpretation, hrsg. von Evelyn Dölling, Reihe: Arbeitspapiere zur Linguistik, TU Berlin, 1998, S. 99-124.
25 John Dewey, Die Öffentlichkeit und ihre Probleme, Bodenheim, Philo-Verlag, 1996 (im Original zuerst: The Public and Its Problems, New York, Henry Holt, 1927).
26 Walter Lippmann, The Phantom Public, New York, Harcourt. 1925.
27 Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders., Gesammelte Schriften, hrsg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Bd.1/2, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1972, S. 471-508 (im Original zuerst in: Zeitschrift für Sozialforschung, Bd. 5/1, 1936, S. 40-68.
28 Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, in: Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Frankfurt a.M., Suhrkamp, Bd. 3, 1981 (zuerst: Amsterdam, Querido, 1947); Theodor W. Adorno, Prolog zum Fernsehen und Fernsehen als Ideologie, in: ders., Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1963, S. 69-80 und S. 81-98 (beide zuerst: 1953).
29 Bertolt Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, in: ders., Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. VIII, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1967, S. 127-134 (zuerst in: Blätter des Hessischen Landestheaters, Juli 1931, Darmstadt).
30 Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, Fankfurt a.M., Suhrkamp, 1985 (im Original zuerst: Theory of Film The Redemption of Physical Reality, Oxford und New York, Oxford University Press, 1960).
31 Raymond Williams, The Long Revolution, New York, Columbia University Press, 1961; ders., Communications, Baltimore, Penguin, 1962; ders., Television. Technology and Cultural Form, Hanover und London, Wesleyan University Press, 1974.
32 Hans Magnus Enzensberger, Baukasten zu einer Theorie der Medien, in: Kursbuch, Bd. 20, 1970, S. 159-186; ders., Das Nullmedium oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegenstandslos sind, in: ders., Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1991, S. 89-103 (zuerst in: Der Spiegel, Heft 20, 1988, S. 234-244)
33 Alexander Kluge und Oskar Negt, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1972; dies., Geschichte und Eigensinn, 3 Bde., Frankfurt a.M, Suhrkamp, 1981; Alexander Kluge u.a., Industrialisierung des Bewußtseins. Eine kritische Auseinandersetzung mit den ‚neuen‘ Medien, München, Piper, 1985.
34 Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Öffentlichkeit. Mit einem Vorwort zur Neuauflage, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1990 (Erstauflage: Darmstadt/Neuwied, Luchterhand, 1962); ders., Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 2 Bde., vierte, durchgesehene Auflage, 1987 (zuerst: 1981); ders., Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1992 (insbes. Kapitel VIII: Zur Rolle von Zivilgesellschaft und politischer Öffentlichkeit, S. 399-467).
35 Vgl. hierzu exemplarisch Richard Rorty, Dekonstruieren und Ausweichen, in: ders., Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart, Reclam, 1991, S. 104-146 (im Original zuerst in: Critical Inquiry, Bd. 11, September 1984, S. 1-23; wiederabgedruckt in: ders., Essays on Heidegger and Others, Philosophical Papers, Bd. 2, Cambridge und New York, Cambridge University Press, 1991, S. 85-106).
36 Richard Rorty, Sind Aussagen universelle Geltungsansprüche?, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Bd. 42, 1994, S. 975-988, hier: S. 976.
37 Für eine historisch-systematische Rekonstruktion des von Rorty empfohlenen Übergangs siehe Mike Sandbothe, Die pragmatische Wende des linguistic turn, in: Die Renaissance des Pragmatismus. Aktuelle Verflechtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie, Weilerswist, Velbrück Wissenschaft, 2000, S. 96-126.
38 Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1989, S. 80.
39 Vgl. hierzu und zum folgenden Richard Rorty, Hoffnung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie, Wien, Passagen, 1994, insbes. Kapitel III, S. 67-89; ders., Stolz auf unser Land. Die amerikanische Linke und der Patriotismus, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1999 (im Original zuerst: Achieving Our Country. Leftist Thought in Twentieth-Century America, Cambridge/Mass. Und London, Harvard University Press, 1998); ders., Philosophy and Social Hope, London, New York u.a., Penguin, 1999; ders., Philosophie und die Zukunft. Essays, Frankfurt a.M.: Fischer, 2000.
40 Rorty, Hoffnung statt Erkenntnis, a.a.O., S. 80.
41 Rorty, Hoffnung statt Erkenntnis, a.a.O., S. 76.
42 Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1989, S. 16.
43 Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, a.a.O., S. 16.
44 Zur Binnendifferenzierung des Medienbegriffs vgl. Mike Sandbothe, Interaktivität-Hypertextualität-Transversalität. Eine medienphilosophische Analyse des Internet, in: Mythos Internet, hrsg. von Stefan Münker und Alexander Rösler, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1997, S. 56-82, insbes. S. 56f.
45 Richard Rorty, Introduction: Pragmatism and Philosophy, in, ders., Consequences of Pragmatism (Essays: 1972-1980), Minneapolis, University of Minnesota Press, 1982, S. XXXVII ff, hier: S. XL.
46 Vgl. hierzu ausführlich Mike Sandbothe, Pragmatische Medienphilosophie. Grundlegung einer neuen philosophischen Disziplin im Zeitalter des Internet, Weilerswist, Velbrück Wissenschaft, März 2001 (im Druck).
47 Koch/Krämer, Einleitung, in: dies., Schrift, Medien, Kognition, a.a.O., S. 20.
48 Koch/Krämer, Einleitung, in: dies., Schrift, Medien, Kognition, a.a.O., S. 20.
49 Seine kanonische Formulierung hat er in Friedrich Kittlers informationstheoretischer Neuauflage der parmenideischen Ontologie: „Nur was schaltbar ist, ist überhaupt“ (Friedrich Kittler, Real Time Analysis, Time Axis Manipulation, in: ders., Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig, Reclam, 1993, S. 182-207, hier: S. 182) gefunden. Vgl. hierzu auch Kittlers programmatischen Aufsatztitel: Es gibt keine Software sowie die folgende Stelle aus diesem Aufsatz, die zugleich (in Klammern) den performativen Widerspruch deutlich werden läßt, der mit Kittlers medienmaterialistischem Fehlschluß verbunden ist: „Schriften und Texte (unter Einschluß des Textes, den ich eben vorlese) existieren mithin nicht mehr in wahrnehmbaren Zeiten und Räumen, sondern in den Transistorzellen von Computern“ (Kittler, Es gibt keine Software, in: ders., Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig, Reclam, 1993, S. 225-242, hier: S. 225). Für die von Krämer vertretene (differenziertere) Position vgl. auch dies., Sprache und Schrift oder: Ist Schrift verschriftete Sprache?, in: Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Organ der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Bd. 15, Heft 1, 1996, S. 92-112.
50 Koch/Krämer, Einleitung, in: dies., Schrift, Medien, Kognition, a.a.O., S. 20.
51 Für eine kritische Rekonstruktion von Kittlers Position, die zugleich deren Genese aus einem um den Bezug auf den Menschen reduzierten McLuhanschen Mediendeterminismus aufzeigt, siehe: Hartmut Böhme, Peter Matussek und Lothar Müller, Mediale Praktiken, in: dies., Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will, Reinbek, Rowohlt, 2000, S. 179-202, insbes. S. 187-191.
52 Vgl. hierzu Derrida, der in der Grammatologie die Gefahr eines medienmaterialistischen Mißverständnisses seiner Überlegungen antizipiert und vor diesem Hintergrund eigens betont: „‘Tod des gesprochenen Wortes‘ ist hier zweifellos eine Metapher: ehe man vom Verschwinden sprechen kann, gilt es, an eine neue Situation des gesprochenen Wortes zu denken (....)“ (Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 20).
53 John Dewey, Die Suche nach Gewißheit. Eine Untersuchung des Verhältnisses von Erkenntnis und Handeln, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1998, S. 136 (im Original zuerst: The Quest for Certainty. A Study of the Relation of Knowledge and Action, New York, Minton, Balch & Co., 1929).
54 Friedrich Kittler, Memories are made of you, in: Koch/Krämer, Schrift, Medien, Kognition, a.a.O., S. 187-204, hier S. 188.
55 Kittler, Memories are made of you, in: Koch/Krämer, Schrift, Medien, Kognition, a.a.O., S. 188.
56 Kittler, Es gibt keine Software, in: ders., Draculas Vermächtnis, a.a.O., S. 230.
57 Kittler, Es gibt keine Software, in: ders., Draculas Vermächtnis, a.a.O., S. 230.
58 Kittler, Es gibt keine Software, in: ders., Draculas Vermächtnis, a.a.O., S. 230.
59 George P. Landow, Hypertext. Convergences of Contemporary Critical Theory and Technology, Baltimore und London, John Hopkins University Press, 1992, S. 8.
60 Jay David Bolter, Writing Space. The Computer, Hypertext, and the History of Writing, Hillsdale (N.J.) und London, Lawrence Erlbaum Associates, 1991, S. 166.
61 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 19.
62 Vgl. hierzu Luhman, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 1: Kapitel 2/V und VI, a.a.O., S. 249-301.
63 Mike Sandbothe, Transversale Medienwelten. Philosophische Überlegungen zum Internet, in: Medien-Welten-Wirklichkeiten, hrsg. von Gianni Vattimo und Wolfgang Welsch, München, Fink, 1998, S. 59-83, hier: S. 70.
64 Sandbothe, Transversale Medienwelten. Philosophische Überlegungen zum Internet, in: Medien-Welten-Wirklichkeiten, hrsg. von Gianni Vattimo und Wolfgang Welsch, a.a.O., S. 70.
65 Sandbothe, Transversale Medienwelten. Philosophische Überlegungen zum Internet, in: Medien-Welten-Wirklichkeiten, hrsg. von Gianni Vattimo und Wolfgang Welsch, a.a.O., S. 71.
66 Sandbothe, Transversale Medienwelten. Philosophische Überlegungen zum Internet, in: Medien-Welten-Wirklichkeiten, hrsg. von Gianni Vattimo und Wolfgang Welsch, a.a.O., S. 71.
67 Zur weiteren Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Formen transtextueller Verflechtung vgl. Gérard Genette, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1993.
68 Vgl. Ernst Gombrich, Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, Stuttgart, Belser, 1978 (im Original zuerst: Art and Illusion, Oxford, Phaidon, 1977) und Rudolf Arnheim, Kunst und Sehen. Eine Psychologie des schöpferischen Auges (Neufassung), Berlin, de Gruyter, 1978 (im Original zuerst: Art and Visual Perception. A Psychology of the Creative Eye, Berkeley und Los Angeles, University of California Press, 1954).
69 Für eine theatralitätstheoretische Untersuchung dieser Verfassung siehe Mike Sandbothe, Theatrale Aspekte des Internet. Prolegomena zu einer zeichentheoretischen Analyse theatraler Textualität, in: Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, hrsg. von Herbert Willems und Martin Jurga, Opladen, Westdeutscher Verlag, 1998, 583-595 (auch in: Kommunikation im Wandel. Zur Theatralität der Medien, hrsg. von Udo Göttlich, Jörg Uwe Nieland und Heribert Schatz, Köln, Herbert von Halem Verlag, 1998, S. 209-226).
70 Vgl. hierzu Antje Gimmler, Deliberative Demokratie, Öffentlichkeit und das Internet, in: Subjektivität und Öffentlichkeit. Kulturwissenschaftliche Grundlagenfragen virtueller Welten, hrsg. von Mike Sandbothe und Winfried Marotzki, Köln, Herbert von Halem Verlag, 2000.
71 Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, in: ders., Gesammelte Werke in acht Bänden, a.a.O., Bd. VIII, S. 130.