Quelle: http://www.sandbothe.net/46.html
Prof. Dr. Mike Sandbothe
erschienen in: Denkräume. Szenarien zum Informationszeitalter (Tagungsdokumentation des Forum Kommunikationskultur 1999), hrsg. von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur sowie dem 'Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend', Bielefeld: 2000, S. 31-43.
Meine Überlegungen gliedern sich in drei Teile. Der erste Teil benennt vier grundlegende medienpädagogische Problemzusammenhänge, vor die wir uns im Zeitalter des Internet gestellt sehen. Im zweiten Teil werden zwei unterschiedliche Konzeptionen von Medienphilosophie vorgestellt: die theoretizistische und die pragmatische. Der dritte Teil schließlich führt vor Augen, auf welche Weise diese Konzeptionen, wenn man sie sinnvoll miteinander verbindet, einen grundlagentheoretischen Beitrag zur Klärung der medienpädagogischen Probleme leisten können, die sich im Zeitalter des Internet stellen.
Der sich gegenwärtig vollziehende Übergang von einer durch das gedruckte Wort und die gesprochene Sprache bestimmten Lehr- und Lernkultur zu einer pädagogischen Praxis, für die das Arbeiten im multimedialen Environment des Internet zentrale Bedeutung erlangt, stellt vier Basisannahmen des traditionellen pädagogischen Selbstverständnisses in Frage. Die ersteBasisannahme besteht in der Vorstellung, daß das in der Schule und an der Universität zu vermittelnde Wissen abgelöst von seinen konkreten Verwendungszusammenhängen in einem spezifisch akademischen Raum theoretischer Wissensvermittlung zu lokalisieren sei. Die zweite Basisannahme besagt, daß der Unterricht in Klassenzimmer und Seminarraum als Kommunikation unter Anwesenden zu erfolgen hat. Die Stimme erscheint dabei als das ausgezeichnete Medium eines an der face-to-face-Kommunikation orientierten Wissensvermittlungsprozesses. Im Rahmen dieses Prozesses – so die dritte Basisannahme – sind Dozentinnen und Dozenten mit der Autorität von omnikompetenten Wissensverwalterinnen und Wissensverwaltern ausgestattet. Sie spielen die Rolle lebender Lexika, die sprechen wie gedruckt und die für jede Frage und jeden Wissensbestand eine vorgegebene Schublade, eine verbindliche Definition und eine feststehende Bewertung zur Hand haben. Die vierte Basisannahme ergibt sich aus den drei vorhergehenden. Sie bezieht sich auf die Struktur von Wissen selbst. Dieses wird unter den Bedingungen der traditionellen Lehr- und Lernkultur als ein Bestand von feststehenden Fakten verstanden, der in einem hierarchisch strukturierten Ordnungszusammenhang steht und exemplarisch durch die Institution des bibliothekarischen Katalogsystems repräsentiert wird.1
Alle vier Annahmen sind im Kontext der erziehungswissenschaftlichen und bildungsphilosophischen Debatten, die das zwanzigste Jahrhundert durchziehen, immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert und zum Teil auch problematisiert worden.2 Gleichwohl dürfen sie bis heute als impliziter Leitfaden für die faktische pädagogische Praxis in den meisten Schulen und Universitäten in Europa und den USA gelten. Im Zeichen des sich gegenwärtig vollziehenden Medienwandels werden die vier Basisannahmen des geschlossenen Wissensraums, des Primats der Stimme, der auf Omnikompetenz gegründeten Lehrerautorität und der hierarchischen Ordnung des Wissens erstmals nicht nur in der Theorie, sondern vielmehr aus der konkreten pädagogischen Praxis heraus problematisch. Sobald Schulen und Universitäten sich auf die Eigendynamik des Wissens einlassen, wie sie uns im neuen Medium des Internet entgegentritt, entsteht die Notwendigkeit einer experimentellen Selbstverständigung, in deren Rahmen die Grundvoraussetzungen einer durch die Welt des Buchdrucks und der oralen Kommunikation geprägten Lehr- und Lernkultur hinterfragbar werden.
Die erste der vier rekonstruierten Basisannahmen - die Vorstellung von einem geschlossenen Raum des theoretischen Wissens - wird durch die offene Zeichenwelt des Internet auf doppelte Weise in Frage gestellt. Zum einen geschieht dies mit Blick auf den physischen Raum des Wissens im buchstäblichen Sinn des Klassenzimmers bzw. Seminarraums. Sobald Dozentinnen und Lehrer beginnen, das Internet in die Arbeit mit ihren Studierenden einzubeziehen, begibt sich die Schulklasse bzw. die Seminargruppe in einen virtuellen Raum, der die physischen Grenzen des Klassenzimmers bzw. des Seminarraums überschreitet. Zugleich werden durch diesen Grenzübertritt Veränderungen im symbolischen Raum des Wissens hervorgebracht. Die komplexe Vernetzheit und unüberschaubare Verflochtenheit sowie die pragmatische Rückgebundenheit theoretischen Wissens in praktische Verwendungszusammenhänge treten angesichts der Erfahrungen deutlich hervor, die wir im Internet machen können.
Auch die zweite Basisannahme der traditionellen Lehr- und Lernkultur – die Voraussetzung des Vorrangs der Stimme - wird durch die gezielte Nutzung des Internet in Schule und Universität problematisch. Die face-to-face-Kommunikation erscheint unter internetorientierten Arbeitsbedingungen nicht mehr als das auf besondere Weise ausgezeichnete Paradigma der pädagogischen Kommunikationssituation. In Gestalt von Mailinglisten, Newsboards, IRC, MUDs und MOOs treten der face-to-face-Kommunikation vielmehr synchrone und asynchrone Möglichkeiten der schriftbasierten Kommunikation unter Abwesenden gleichberechtigt zur Seite, die den traditionellen Primat des im Medium der Stimme vollzogenen Gesprächs unter Anwesenden als Vorbild für die Vermittlung von Sinn und Bedeutung zwar nicht abschaffen, aber doch relativieren. Die Erfahrungen, die on-line mit der Computer Mediated Communication gemacht werden, wirken dabei auf doppelte Art und Weise auf die face-to-face-Kommunikation zurück: einerseits dezentrierend, andererseits revalidierend.
Das hat Folgen für die dritte Basisanahme, also das Konzept einer auf Omnikompetenz gegründeten Dozentenautorität. Die Einbeziehung des Internet in die Lehre führt zu einer Transformation der pädagogischen Kommunikationssituation, die bis in die innere Verfassung des face to face durchgeführten Unterrichtsgeschehens hineinreicht. Im Zeitalter des Internet erfährt auch und gerade die mündliche Unterrichtssituation eine charakteristische Dezentrierung. Lehrerinnen und Lehrer stehen nicht länger als omnikompetente Wissensverwalterinnen und Wissensverwalter im Mittelpunkt. Die Begrenztheit und die kurze Halbwertzeit des individuellen Wissensbestands der Dozierenden wird den Studierenden durch das kollektive Wissensnetzwerk des Internet unmittelbar deutlich gemacht. Die traditionelle Legitimation der Lehrerautorität und die klassische Struktur des Frontalunterrichts werden dadurch ein Stück weit in Frage gestellt. Lehrerinnen und Lehrer erscheinen nicht länger als souveräne Verwalterinnen und Verwalter eines hierarchisch organisierten Wissensgefüges, das in einer uni-linearen Lehrsituation zu vermitteln wäre. Statt dessen kommen ihnen angesichts des im Internet manifest werdenden Information Overload auch im Face-to-face-Unterricht neue kommunikationspragmatische Moderations- und Navigationsaufgaben zu.
Auch die Vorstellung von einem hierarchisch strukturierten Gefüge des Wissens – und damit die vierte Basisannahme der traditionellen Lehr- und Lernkultur – wird durch das Internet in Frage gestellt. An ihre Stelle tritt die Erfahrung eines hypertextuell vernetzten, interaktiv evolvierenden und potentiell unendlichen Verweisungszusammenhangs von graphischen, piktorialen und akustischen Zeichen. Im Netz ist keine intrinsische Ordnung oder immanente Systematik auszumachen, welche die zugänglichen Datenmengen zu einem umfassenden bibliothekarischen Wissenskosmos vereinen würde, wie er die Vorstellungswelt des Gutenberg-Zeitalters geprägt hat. Statt dessen werden die Anforderungen an Nutzerinnen und Nutzer immer höher, auf der Grundlage reflektierender Urteilskraft und unter Verwendung der entsprechenden Net Tools (Bookmarks, Suchmaschinen, Intelligent Agents etc.) selbst Ordnung ins Datenchaos zu bringen. Wissen wandelt sich von einem vermeintlich objektiv vorgegebenen Bestand von instrinsisch geordneten Fakten zu einem in permanenter Veränderung begriffenen Werk intersubjektiv vermittelter Urteilskraft. Dabei erweist es sich als ein prozeßhaftes Geschehen, das ständiger Revision offensteht und in dessen Vollzug die Fähigkeiten zur assoziativen Vernetzung, eigenständigen Bewertung und pragmatischen Rückbindung auf individuelle und kollektive Interessenzusammenhänge im Vordergrund stehen.3
Wie lassen sich angesichts der beschriebenen Transformationen die Grundlagen einer internetorientierten Lehr- und Lernkultur entwickeln? Wie läßt sich erreichen, daß Dozieren und Studieren im Informationszeitalter den demokratischen Idealen der politischen Aufklärung verpflichtet bleibt bzw. mehr noch: einen Beitrag dazu leistet, die Realisierungsbedingungen des politischen Projekts der Moderne qualitativ zu optimieren und quantitativ zu erweitern? Wie ist der Raum des Wissens zu denken, wenn wir ihn nicht mehr als geschlossenen Raum der theoretischen Darstellung von Wissensbeständen auffassen, die Wirklichkeit erkennend abbilden oder konstruieren? Wie ist die pädagogische Kommunikationssituation zu verstehen, wenn sie nicht mehr durch den Vorrang der gesprochenen Sprache und die Leitfunktion des face-to-face-Gesprächs zu charakterisieren ist? Wie ist die veränderte Verfassung der Autoriät von Lehrpersonen zu beschreiben, wenn deren Legitimation nicht mehr auf die Vorstellung zurückgreifen kann, daß Lehrende als omnikompetente Verwaltungs- und autoritative Selektionsinstanzen anzuerkennen sind, die einen vorgegebenen Kanon des Wissens institutionenspezifisch personalisieren und als geordnetes und abprüfbares System von Tatbeständen erscheinen lassen? Und schließlich: Wie ist die Struktur von Wissen selbst unter den veränderten Medienbedingungen auf neue Weise zu verstehen? Was ist Wissen, wenn es kein System hierarchisch geordneter Fakten ist? Wie entstehen Sinn und Bedeutung in einer vernetzten Welt, in der es keinen archimedischen Bezugspunkt, keinen letzten Referenztext, keine einheitliche Systematik gibt?
Es ist die Aufgabe der Medienphilosophie, auf erziehungswissenschaftliche Grundlagenfragen dieser Art zu reagieren und medienphilosophische Konzepte zu entwickeln, mit deren Hilfe sich mögliche Antworten finden und Horizonte veränderten Handelns eröffnen lassen. Als eigenständige Disziplin im Rahmen der akademischen Fachphilosophie ist die Medienphilosophie bisher kaum ausgebildet. Aber es gibt sowohl in Europa als auch in den USA vielfältige Bestrebungen, die darauf hindeuten, daß sich dies in Zukunft verändern wird.4 Im folgenden geht es mir darum, bereits existierende Ansatzpunkte zur Entwicklung einer zeitgemäßen Medienphilosophie weiter auszuarbeiten und auf produktive Weise so miteinander in Beziehung zu bringen, daß sich auf dieser Basis die philosophischen Grundlagen für eine internetorientierte Lehr- und Lernkultur entwerfen lassen.
Zu diesem Zweck werde ich auf zwei auf den ersten Blick als heterogen und inkompatibel erscheinende Konzeptionen von Medienphilosophie zurückgreifen: die theoretizistische und die pragmatische. Beide Konzeptionen stammen aus philosophischen Lagern, die das Denken der Gegenwart auf entscheidende Weise bestimmen. Die Grundgedanken sowohl der theoretizistischen als auch der pragmatischen Medienphilosophie lassen sich durch ihr Verhältnis zum sogenannten „linguistic turn“5 rekonstruieren. Dabei handelt es sich um den Übergang, den die moderne Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert von der Bewußtseinsphilosophie zur Sprachphilosophie vollzogen hat.6
Ich beginne mit der theoretizistischen Konzeption von Medienphilosophie. Ihr zentraler Anspruch besteht darin, den linguistic turn medientheoretisch zu unterlaufen und ihn auf tieferliegende Fundamente zu stellen. Wie das aussieht, läßt sich paradigmatisch am Beispiel von Jacques Derridas De la grammatologie (1967) vor Augen führen. Die kritische Grundthese dieses Buchs bezieht sich auf die Auszeichnung, welche die gesprochene Sprache im Denken des Abendlandes seit jeher implizit und im Vollzug des linguistic turn schließlich explizit erfahren hat. Derridas Ansicht zufolge ergibt sich die medientheoretisch zu problematisierende These vom Vorrang der gesprochenen Sprache durch die spezifische Materialität oder besser: vermeintliche Immaterialität desjenigen Mediums, in dem sich Sprechen vollzieht. Um die spezifische Eigenart des Lautcharakters gesprochener Sprache in den Blick zu bringen, legt Derrida einen besonderen Akzent auf den Sachverhalt, daß wir, wenn wir einen Satz artikulieren, das Gesagte nicht nur als Mitteilung auf einen Kommunikationspartner hin veräußerlichen, sondern den artikulierten Satz zugleich immer auch in uns selbst vernehmen. Dieses für die menschliche Stimme charakteristische Phänomen bezeichnet Derrida als „System des ‚Sich-im-Sprechen-Vernehmens‘“.7
Die einseitige Ausrichtung des abendländischen Denkens an der Phänomenologie dieses Systems führt Derrida zufolge dazu, daß das Medium der „Lautsubstanz“8, in dem sich Sprechen vollzieht, „als nicht-äußerlicher, nicht-weltlicher, also nicht-empirischer oder nicht-kontingenter Signifikant“9 erscheint. Damit aber, so Derridas Kritik, wird die faktische Veräußerlichung, die sich nicht erst im Akt der an einen Gesprächspartner gerichteten Kommunikation, sondern bereits im Sich-im-Sprechen-Vernehmen selbst vollzieht, zugunsten der Hypostasierung einer innerlichen und unmittelbaren, d.h. medienfreien Präsenz des Sinns ausgeblendet. Diese von Derrida als „phonozentrisch“10 kritisierte Hypostasierung führt zu einer systematischen Unterbelichtung der medialen Komplexität, die der Gesamtverfassung menschlicher Rede eigen ist. Derrida hat damit exemplarisch den philosophischen Hintergrund problematisiert, aus dem sich die phonozentrisch argumentierende Medienschelte von Platons Schriftkritik bis hin zu Baudrillard, Virilio, Postman, Weizenbaum oder Hartmut von Hentig speist.11
Der phonozentrischen Ideologie von einem reinen und medienfreien System des Sich-im-Sprechen-Vernehmens stellt Derrida seine grammatologische These von der verborgenen Schriftsignatur der gesprochenen Sprache entgegen.12 Zu diesem Zweck nimmt er die vom Phonozentrismus als Degradierung gemeinte Bestimmung der Schrift als supplementärer „Signifikant des Signifikanten“13 oder als tertiäres „Zeichen der Zeichen“14 beim Wort und verwendet sie dekonstrukiv als Modell für das Funktionieren der gesprochenen Sprache selbst. Auf dieser Grundlage erhält man „einen modifizierten Schriftbegriff“15, von dem Derrida auch als der „generalisierte[n] Schrift“16 oder der „Ur-Schrift“17 spricht. Die Ur-Schrift bezeichnet eine semiotische Verweisungsstruktur, derzufolge sich der Sinn eines jeden Zeichens – und d.h. auch der Sinn des gesprochenen Wortes, also die Bedeutung des Logos - aus der Relation zu anderen Zeichen ergibt. Mit dieser Überlegung unterläuft Derrida den Phonozentrismus, indem er die Bedingungen der Möglichkeit von Sinnkonstitution als Spiel von Differenzen dechiffriert.
Derridas dekonstruktive Medienphilosophie darf als (in seinem Reflexionsniveau bisher kaum wiedererreichtes) Paradigma für eine Vielzahl von unterschiedlichen medientheoretischen Konzepten gelten, die gegenwärtig diskutiert werden. Das Spektrum reicht von Friedrich Kittlers18 Medienmaterialismus über die autopoietischen bzw. konstruktivistischen Medientheorien von Niklas Luhmanns19 und Siegfried J. Schmidt20 bis hin zu einem breiten Feld von Autorinnen und Autoren, die Peter Koch und Sybille Krämer unter dem Stichwort einer „medienkritische(n) Wende in den Geisteswissenschaften“21 vereint sehen. Im Zentrum dieser medientheoretischen Entwürfe steht die theoretizistische Frage nach den Möglichkeitsbedingungen der Erzeugung von Sinn und der Konstitution von Wirklichkeit.
Als ‚theoretizistisch‘ bezeichne ich den gesamten Problemzusammenhang, weil darin von allen konkreten Interessenzusammenhängen und allen bestimmten Zielsetzungen menschlicher Gemeinschaften abstrahiert wird. Die theoretizistische Aufgabenbestimmung der Medienphilosophie zielt auf die Verfassung unseres Selbst- und Weltverständnisses insgesamt und damit auf einen Bereich, der hinter dem Rücken aller praktischen Nützlichkeitshorizonte liegen und diese selbst erst hervorbringen, begründen oder legitimieren soll. Im Unterschied zur theoretizistischen setzt die pragmatische Aufgabenbestimmung der Medienphilosophie inmitten von kulturell und historisch vorgegebenen praktischen Interessenzusammenhängen und soziopolitischen Zielsetzungen an. Was damit gemeint ist, möchte ich paradigmatisch am Beispiel ausgewählter Überlegungen vor Augen führen, die der Vordenker des amerikanischen Neopragmatismus, Richard Rorty, in den achtziger und neunziger Jahren vorgelegt hat.22
Rorty hat die Grundgedanken eines im Anschluß an John Dewey politisch und aufklärerisch grundierten Pragmatismus unter den Bedingungen postmodernen Denkens systematisch reformuliert. Auf der von ihm bereitgestellten Basis lassen sich im Rekurs auf verstreute Bemerkungen, die sich in seinem Werk zum Medienthema finden, die Grundlinien einer pragmatischen Medienphilosophie entwickeln. Diese Grundlinien dienen im vorliegenden Zusammenhang als idealtypische und zeitgemäße Explikation einer intellektuellen Praxis, deren Implikationen für die Medientheorie systematisch bisher kaum ausreichend auf den Begriff gebracht worden sind. Diese Praxis ist in den USA durch die Debatte zwischen John Dewey und Walter Lippmann, in Europa durch die Debatte zwischen Walter Benjamin und Theodor W. Adorno eröffnet worden. Sie durchzieht das zwanzigste Jahrhundert über die pragmatischen Medienreflexionen von Bert Brecht, Siegfried Kracauer und Raymond Williams bis hin zu den bis in die Gegenwart reichenden Einlassungen von Hans Magnus Enzensberger, Alexander Kluge und Jürgen Habermas.
Anders als in der theoretizistischen geht es in der pragmatischen Aufgabenbestimmung von Medienphilosophie nicht um die dekonstruktive Vertiefung des linguistic turn. Statt dessen empfiehlt Rorty seinen Kolleginnen und Kollegen vielmehr, das Thema zu wechseln und den Problemstellungen der linguistischen Tradition durch die Entwicklung eines pragmatischen Vokabulars auszuweichen.23 Unter den Bedingungen des linguistic turn wurde sprachliche Kompetenz als die hermeneutische Fähigkeit aufgefaßt, innerhalb eines differentiell strukturierten bzw. holistisch konzipierten Zeichenschemas Inhalte zu formen und dadurch etwas als etwas kontextuell unterscheidbar und identifizierbar zu machen. Demgegenüber schlägt Rorty vor, „sprachliche Kompetenz als eine Art Know-how [zu] denken“24, d.h. als ein pragmatisches Instrumentarium, das es uns erlaubt, mit anderen Menschen und mit der nicht-menschlichen Umwelt zu interagieren.25
Auf der Grundlage eines solchermaßen pragmatisch gewendeten linguistic turn plädiert Rorty für einen Werkzeugbegriff des Mediums. Dabei werden Medien jedoch nicht – wie in der von Derrida zurecht kritisierten phonozentrischen Tradition – auf Werkzeuge zur sinnerhaltenden Übertragung von präexistenten Informationen reduziert. Vielmehr wird die Funktionsbestimmung des Mediums über den engen und für den Theoretizismus spezifischen Bereich der Bedingungen der Möglichkeit von Wirklichkeitserkenntnis hinaus auf den weiten Bereich menschlichen Handelns ausgedehnt.26 Menschliches Handeln wird von Rorty praktisch-politisch von den Gütern und Hoffnungen her verstanden, nach denen die Menschen in den westlichen Demokratien in den letzten zwei Jahrhunderten ihr öffentliches Verhalten – trotz aller Rückfälle und Fehler – zunehmend auszurichten gelernt haben. Bei diesen Gütern und Hoffnungen handelt es sich um die für das politische Projekt der Aufklärung charakteristischen soziopolitischen Ideale der Vermehrung von Solidarität und der Verminderung von Grausamkeit und Demütigung im Zusammenleben der Menschen.27
Vor dem Hintergrund dieser gerade in ihrer Kontingenz für uns heute zunehmend verbindlichen Ideale ergibt sich für Rorty die pragmatische Funktion der technischen Verbreitungsmedien aus dem Bestreben demokratischer Gesellschaften, „immer mehr Menschen in die eigene Gemeinschaft einzubeziehen.“28 Bei der pragmatischen Umsetzung dieses demokratischen Universalisierungsprojekts spielen aus Rortys Sicht die Medien eine wichtige Rolle. Im Zentrum steht dabei für Rorty die praktische Wirksamkeit, die von erzählerischen Medien wie "Roman, Kino und Fernsehen"29 ausgehen kann. Dabei geht es Rorty in erster Linie um die Inhalte, also die konkreten Erzählungen, die von den Medien angeboten werden. Sie sollen dazu beitragen, den Prozeß voranzubringen, „in dessen Verlauf wir allmählich andere Menschen als 'einen von uns' sehen statt als 'jene'."30
Versucht man Rortys Medienbemerkungen über Rorty hinaus für eine anspruchsvolle Konzeption pragmatischer Medienphilosophie nutzbar zu machen, ergibt sich ein veränderter Blick auf das Gesamtgefüge der unterschiedlichen Mediensorten. Das System der Medien im weiten Sinn setzt sich zusammen aus sinnlichen Wahrnehmungsmedien (z. B. Raum und Zeit), semiotischen Kommunikationsmedien (z.B. Bild, Sprache, Schrift und Musik) sowie technischen Verbreitungsmedien (z.B. Buchdruck, Radio, Fernsehen und Internet).31 Während theoretizistische Medienphilosophen den Schwerpunkt ihrer linguistischen, grammatologischen oder bildtheoretischen Forschungen zumeist im Bereich der semiotischen Kommunikationssmedien (bzw. im Bereich der raumzeitlichen Wahrnehmungsmedien) haben, akzentuiert eine pragmatisch orientierte Medienphilosophie den Peripheriebereich der technischen Verbreitungsmedien. Aus pragmatischer Perspektive erweist sich die bildungspolitische Ausgestaltung gerade dieses äußeren Bereichs als zentraler Ansatzpunkt für die Ermöglichung langfristiger Veränderungen im Bereich der Wahrnehmungs- und Kommunikationsmedien. Wie sich das Instrumentarium der theoretizistischen Medienphilosophie nutzen läßt, um das politisch-praktische Projekt der pragmatischen Medienphilosophische voranzubringen, möchte ich im Schlußteil meiner Überlegungen im Rekurs auf die eingangs exponierten medienpädagogischen Fragenkomplexe vor Augen führen.
An die Stelle der ersten Basisannahme von der Vorgegebenheit eines geschlossenen akademischen Raums der theoretischen Wissensrepräsentation tritt in einer internetorientierten Lehr- und Lernkultur die Dekonstruktion der akademischen Wissensräume. Das Geschehen der De-konstruktion impliziert zwei Aspekte: einen destruktiven und einen konstruktiven. Der destruktive Aspekt besteht in der emanzipativen Befreiung von der Fixierung des pädagogischen Kommunikationsprozesses auf die Welt des Klassenzimmers und des Seminarraums. Mit der Integration des Internet in die alltägliche Unterrichtspraxis öffnet sich die virtuelle Welt als Raum, in dem Lehren und Lernen sich in einer kollektiven und kommunikativen Zeichenpraxis auf neue Weise miteinander verflechten. In dieser Öffnung liegt zugleich der konstruktive Aspekt beschlossen, der für die sich via Internet vollziehende Dekonstruktion der akademischen Wissensräume charakteristisch ist. In der Gestaltung eines schul- bzw. universitätseigenen MOOs sowie in der gemeinsamen Arbeit an einer klassen- bzw. seminareigenen Homepage erfahren Lehrer und Schüler den Raum des Wissens in einem ganz buchstäblichen Sinn als Produkt ihrer kooperativen Imagination und kollektiven Gestaltungskraft.
Zugleich lassen sich diese selbstgestalteten und permanent evolvierenden Räume des Wissens mit anderen Wissensräumen und virtuellen sowie realen Handlungsräumen global vernetzen. Auf diese Weise erschließen sich Möglichkeiten transkultureller Kommunikation, die dazu beitragen, daß sich Lehren und Lernen im Zeitalter des Internet zunehmend in einem transnationalen Kontext realisieren. Im Internet wird es Studierenden, die räumlich und geographisch voneinander getrennt sind und insofern in verschiedenen Welten leben, möglich, virtuell in einer gemeinsamen Welt zu leben, deren raumzeitliche Grundkoordinaten sie in einem deliberativen Aushandlungsprozeß kooperativ konstruieren können. Globalität wird auf diese Weise in Schule und Universität als Lebensform erfahrbar und damit als selbstverständliche Grundhaltung eingübt. Auf der alltagsepistemologischen Ebene führt die sich im Internet vollziehende Dekonstruktion der akademischen Wissensräume darüber hinaus zu einer Bewußtmachung der Interpretativität und Konstruktivität unserer Raum- und Zeiterfahrungen.32 Die sich damit verbindende Anerkenntnis des kontingenten Charakters auch noch unserer tiefsten Überzeugungen und epistemologischen Intuitionen stellt eine weitere wichtige Basis für den transkulturellen Dia- bzw. Plurilog dar, in dem es gerade darum geht, kontingente Überzeugungen und vermeintlich selbstverständliche Intuitionen unterschiedlicher Herkunft miteinander zu verflechten.
Auch die zweite Basisannahme der traditionellen Lehr- und Lernkultur – die Voraussetzung des Vorrangs der Stimme - wird durch die Einbeziehung des Internet in die Unterrichtspraxis dekonstruiert. In diesem Fall besteht der destruktive Aspekt darin, daß die Stimme und das an ihr orientierte face-to-face-Gespräch nicht mehr als dominierendes Paradigma des pädagogischen Kommunikationsprozesses fungieren. Statt dessen erfährt die interaktiv eingesetzte Schrift eine charakteristische Aufwertung. Schrift fungiert unter Internetbedingungen nicht länger – wie im Buchdruck – allein als Medium anonymer Wissensspeicherung, sondern wird darüber hinaus (in MUDs, MOOs und IRC) als synchrones Kommunikationsmedium interaktiv verwendbar. Der konstruktive Aspekt dieser Dekonstruktion der akademischen Kommunikationssituation kommt darin zum Ausdruck, daß wir im interaktiven Schreiben eines Gesprächs die Konstitution von Sinn und Bedeutung als ein Verweisungsgeschehen erfahren, das immer schon durch Zeichen vermittelt ist, die ihrerseits auf Zeichen (als Zeichen von Zeichen von Zeichen etc.) verweisen. Die innere Schriftsignatur unseres Denkens und Kommunizierens wird auf diese Weise medial auf einfache Weise nachvollziehbar. Der Common Sense verändert sich. Internetinduziert wird unsere Alltagsepistemologie zunehmend dekonstruktivistisch.
Eine über die beschriebene Neukonfiguration des Verhältnisses von Sprache und Schrift noch hinausgehende Transformation erfährt unser Schriftgebrauch im World Wide Web. Der phonetischen Schrift treten unter den für das Web charakteristischen Hypertextbedingungen nicht-phonetische Schrifttypen gleichberechtigt zur Seite. Denn in Hypertexten werden Zeichen aller Art als Icons, d.h. als Signifikanten programmierbar, die auf der pragmatischen Ebene via Mausklick eine nicht mehr nur symbolische, sondern reale Verbindung zu dem herstellen, was sie bezeichnen. Dadurch wird für den Common Sense unmittelbar deutlich, daß Zeichen nicht nur und nicht in erster Linie dazu da sind, nichtzeichenhafte Bedeutungen zu repräsentieren. Das war die mediale Suggestion der phonozentrisch organisierten Gutenbergwelt, die – auf laufende Bilder übertragen – sich in der Logik der Reality-TV-Kultur fortschreibt, welche die letzten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts bestimmt hat. An die Stelle dieser Suggestion tritt unter Internetbedingungen eine Zeichenpraxis, derzufolge Zeichen vorrangig dazu dienen, Zeichen mit anderen Zeichen in Verbindung zu setzen, um konkrete Handlungen, auf die via Zeichenverweisung verwiesen wird, auszulösen bzw. zu koordinieren. So reicht in der digitalen Buchhandlung Amazon.com ein Klick auf den Button mit der Aufschrift „Buy 1 Now With 1 Click“, und ich erhalte – vorausgesetzt, daß ich als Kunde mit Adresse und Kreditkartennummer im Server archiviert bin - umgehend die folgende Antwort: „Thank you for your 1-Click order! (Yes, it was that easy.) One copy of the book you ordered will be sent to you as soon as possible.“33
Die sich in einer internetorientierten Lehr- und Lernkultur vollziehende pragmatische Dekonstruktion der medialen Verfassung des pädagogischen Kommunikationsprozesses hat tiefgreifende Rückwirkungen auf die Signatur der face-to-face-Kommunikation außerhalb des Netzes. Im Rahmen dieser Rückwirkungen kommt es sowohl zu einem Dezentrierungs- als auch zu einem Revalidierungseffekt. Der Revalidierungseffekt besteht in der geschärften Wahrnehmung für die Eigencharakteristik der realen Gesprächsituation im realen Raum, die durch die Differenzerfahrung mit der virtuellen Kommunikation im virtuellen Raum ermöglicht wird. Die anästhetische Reduktion der Kommunikation auf das Medium einer interaktiv verwendeten Schrift führt im IRC, in den MUDs und MOOs dazu, daß die visuellen, akustischen und taktilen Evidenzen, die wir in der face-to-face Kommunikation unbewußt voraussetzen, zum Gegenstand einer bewußten Dekonstruktion im Medium der Schrift werden. Die appräsente Präsenz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Online-Chat setzt voraus, daß wir, um überhaupt in einem MUD oder MOO präsent zu sein, den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern beschreiben müssen, wie wir aussehen, wie unsere Stimme klingt und unsere Haut sich anfühlt, in welchen Zeiten und Räumen wir uns bewegen und überhaupt: welche Art von Wesen in welcher Art von Welt wir sind. Dadurch entsteht ein dekonstruktives Körperbewußtseins, durch das wir für die spezifischen gestischen und taktilen Signaturen alltäglicher face-to-face-Kommunikation im realen Raum auf neue Weise sensibilisiert werden.
Der Dezentrierungseffekt, der von der Erfahrung der inneren Schriftsignatur unseres Denkens, Sprechens und Kommunizierens im Internet ausgeht, hängt eng mit der Transformation zusammen, welche die dritte Basisannahme der traditionellen Lehr- und Lernkultur erfährt. Die Autorität der Dozentinnen und Dozenten gründet in einer internetorientierten Lehr- und Lernkultur nicht mehr in der autoritativen Personalisierung vorgegebener Wissensbestände durch die Figur der omnikompetenten Lehrperson. Statt dessen ergibt sie sich aus den kommunikationspragmatischen Fähigkeiten von im transparenten Umgang mit unterschiedlichen Wissensquellen, heterogenen Interpretationen und divergierenden Interessenlagen geschulten Lehrerinnen und Lehrern. Wo diese Fähigkeiten vorhanden sind, stellt die Integration des Internet in den Unterricht kein eigentliches Problem mehr dar. Im Gegenteil. Lehrende, die es gewohnt sind, bereits im Rahmen eines dezentrierten face-to-face-Unterrichts die Quellen, Kontingenzen, Relativitäten und Offenheiten sowie den Entwicklungscharakter ihres eigenen Wissens den Lernenden gegenüber freizulegen, nutzen das Internet, um mit ihren Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und Studenten in einen gemeinsamen mediengestützten Lernprozeß einzutreten. Die Autorität der Lehrenden bewährt sich im Vollzug dieses Prozesses vor allem darin, den Lernenden dabei zu helfen, die (für das Gelingen des eigenen Lebens entscheidende) Kunst des eigenständigen, reflektierenden und intelligenten Lernens selbst zu erlernen. Der Vorsprung des Lehrpersonals besteht also nicht mehr in erster Linie im Verfügen über vorgegebene Wissensbestände, sondern vielmehr in seiner Kompetenz, die Vielfalt der sich ständig erweiternden Informationsströme auf nachvollziehbare, pragmatische und kooperative Weise zu kanalisieren und zusammen mit den Lernenden in ein situiertes Wissen zu transformieren, das der Gemeinschaft nützlich ist und zugute kommt.34
An die Stelle der vierten Basisannahme der traditionellen Lehr- und Lernkultur, derzufolge Wissen als feststehender Bestand von hierarchisch geordneten Fakten zu verstehen ist, tritt unter Internetbedingungen ein prozessualer Wissensbegriff. In seinem Zentrum steht das intersubjektiv vermittelte Vermögen der reflektierenden Urteilskraft. Dieses Vermögen setzt sich aus denjenigen pragmatischen und dekonstruktiven Fähigkeiten zusammen, die in ihrem intelligenten Zusammenspiel die entscheidende Kompetenz im Umgang mit dem neuen Medium Internet ausmachen. In der traditionellen Medienpraxis wird die Zuschauerin oder der Leser nur selten mit Angeboten konfrontiert, deren Wert sie bzw. er nicht via Zuordnung zu einem bestimmten Verlag, zu einem bestimmten Sender oder zu einer bestimmten Redaktion - d.h. zu einem vorgegebenen Allgemeinen - vor aller Lektüre grob beurteilen könnte. Im Internet ist das anders. Durch den Einsatz von Suchmaschinen im World Wide Web sowie bei der Arbeit in den verschiedenen Datenbanken, die via Web zugänglich sind, werden Nutzerinnen und Nutzer zu einem bestimmten Stichwort mit einem breiten Spektrum ganz unterschiedlicher Informationen mit nicht immer transparenten Herkünften und häufig nur schwierig zu ermittelnden Zurechenbarkeiten konfrontiert. Während das klassische Mediensystem darauf basiert, daß die Zuschauerin bzw. der Leser langfristig stabile Präferenzen zu vertrauenswürdig erscheinenden Sendern oder Zeitungen entwickelt, haben wir es im Internet mit einem Information Overload zu tun. Dieser läßt sich auch unter Einsatz von Suchmaschinen und intelligenten Agentenprogrammen letztlich nur durch die reflektierende Urteilskraft der einzelnen Nutzerin und des einzelnen Nutzers kanalisieren. Deren flächendeckende und systematische Ausbildung in allen Bevölkerungsschichten ist die zentrale Aufgabe eines demokratischen Bildungssystems im 21. Jahrhundert.35
Aus meiner eigenen Arbeit mit dem Internet im Philosophie-Unterricht an den Universitäten Magdeburg und Jena möchte ich abschließend drei konkrete Beispiele für die von mir beschriebene internetorientierte Lehr- und Lernkultur geben. In Magdeburg habe ich im Rahmen eines Seminars, das ich im Sommersemester 1996 zum Thema Philosophische Medientheorie angeboten habe, den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Internetnutzung auf den Einsatz von interaktiven Kommunikationsdiensten wie MUDs und MOOs gelegt. Dabei sind wir im Seminar so vorgegangen, daß wir zunächst in einer ersten Seminarsequenz von vier Sitzungen, die ohne Computerunterstützung stattfanden, ein Buch und einen Aufsatz des amerikanischen Medienwissenschaftlers Jay David Bolter vom Georgia Institute of Technology in Atlanta gelesen haben. Im Vollzug der Lektüre haben wir gemeinsam Fragen ausgearbeitet, die zum Teil schlichte Textverständnisfragen waren, zum Teil aber auch Grundthesen von Bolter problematisierten. Die zweite Seminarsequenz fand dann im Computerlabor des Rechenzentrums statt. Dort saßen jeweils zwei Studierende an einem Internet-PC. Alle PCs waren mit dem Media-MOO des Georgia Institute of Technology verbunden, in das uns Jay Bolter zur Diskussion eingeladen hatte. An der Kommunikationssituation, die sich zwischen Jay Bolter und dem Seminar online entwickelte, kann man sehr schön vor Augen führen, was ich mir unter einer dekonstruktiven Dezentrierung und pragmatischen Enthierarchisierung der Unterrichtssituation vorstelle.
Dazu ist aber zunächst kurz die Kommunikationssituation zu beschreiben, die für die erste Seminarsequenz charakteristisch war, die ohne Computerunterstützung stattfand. Die Gesprächssituation war so strukturiert, daß ich als Lehrer gemeinsam mit den Studierenden an der Entwicklung eines offenen, mit Fragezeichen und Unklarheiten verbundenen Verständnisses der Bolter-Texte gearbeitet habe. Der Schwerpunkt lag dabei nicht darin, meine eigenen Verständnisprobleme zu überspielen, sondern vielmehr darin, diese Probleme im Seminar möglichst deutlich zu artikulieren, so daß die Studierenden ebenfalls ermutigt wurden nach meinem Vorbild ihre eigenen Verständnisprobleme auszudrücken. Meine Funktion im Seminar war also nicht die, den Studierenden ein verbindliches und wahres Textverständnis zu präsentieren, das sie dann nur noch hätten reproduzieren müssen. Ich habe ihnen keine verbindliche Standardinterpretation, d.h. kein umfassendes Allgemeines angeboten, unter das sie mittels bestimmender Urteilskraft den Text einfach hätten subsumieren können. Statt dessen habe ich mich gemeinsam mit ihnen in einen zielgerichteten Prozeß reflektierender Urteilskraft begeben, in dessen Vollzug wir uns zusammen über die Unsicherheiten, die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten, die offenen Fragen, die vielfältigen Bezüge und Assoziationen verständigt haben, die im Laufe einer wissenschaftlichen Textlektüre zu Tage treten. Am Ende dieses dekonstruktiven Prozesses stand eine Liste von Verständnis- und Interpretationsfragen, von denen wir glaubten, daß wir sie in unserem Kreis allein nicht würden klären können sowie eine zweite Liste von Fragen, von denen wir annahmen, daß sie bestimmte Grundgedanken von Bolter problematisierten. Mit diesen beiden Listen ausgerüstet traten wir den Marsch ins Internet und den Besuch in Bolters Media-MOO an.
Interessant an der für das Online-Gespräch mit Bolter charakteristischen Kommunikationssituation war vor allem der Sachverhalt, daß die Dezentrierung und Enthierachisierung der Seminarsituation, die von uns im Rahmen der ersten vier computerfreien Textlektüresitzungen implizit vollzogen worden war, sich im Gespräch mit Bolter als eine eigentümliche Solidaritätserfahrung ausdrückte. Wir erfuhren uns im Gespräch mit Bolter als eine Denk- und Reflexionsgemeinschaft, die koordiniert und in Abstimmung miteinander Fragen stellte, Einwände formulierte, nachhakte, das Thema wechselte, neue Probleme aufwarf etc.. Dazu trugen auch die technischen Rahmenbedingungen des Gesprächs bei. Bolter sah ja nur, was wir schrieben. Wir konnten uns aber jederzeit mündlich, ohne daß Bolter dies mitbekam, über das Geschriebene und unser weiteres argumentatives Vorgehen verständigen. Die Bestimmungsschwäche oder positiv formuliert: die dekonstruktive Offenheit, die wir uns gegenüber dem Text in der ersten Seminarsequenz erlaubt hatten, erwies sich nun als unsere Stärke. Wir konnten den aus der anonymen Welt des Buchdrucks in die virtuelle Gesprächswirklichkeit der Online-Diskussion zurückgeholten Textautor nun Schritt für Schritt mit unseren spezifischen Lektüreproblemen und kritischen Einwänden konfrontieren. Dabei wurde im Übergang von der Welt des Buchdrucks in die interaktive Welt des geschriebenen Gesprächs für die Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmer in aller Deutlichkeit erfahrbar, daß im Vollzug einer gelingenden Lektüre reflektierende Urteilskraft auf reflektierende Urteilskraft verweist. Bolter beantwortete unsere über das bloße Textverständnis hinausgehenden Fragen, indem er sie in seine Reflexionen einbezog und nachvollziehbar machte, daß es sich beim publizierten Wissen um die Momentanaufnahme eines offenen Denkprozesses handelt, an dem selbstdenkend teilzunehmen gute Texte ihre Leserinnen und Leser einladen.
Die Erfahrungen, die ich mit dem Interneteinsatz in Philosophie-Seminaren an der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemacht habe, möchte ich zunächst am Beispiel eines Proseminars über Aristoteles‘ Nikomachische Ethik schildern, das ich im Sommersemester 1999 durchgeführt habe. Im Rahmen dieses Seminars habe ich versucht, das World Wide Web gezielt zur Verbesserung der Seminardiskussion und der Fähigkeit der Studierenden einzusetzen, sich selbst und ihre Kommilitoninnen und Kommilitionen als Schreibende, d.h. als Textautorinnen und Textautoren ernst zu nehmen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereiteten sich auf die jeweils im Seminar zu behandelnden Aristoteles-Sequenzen vor, indem sie vor jeder Sitzung Thesenpapiere zu der zu behandelnden Aristotelespassage verfaßten. Diese Thesenpapiere wurden eine Woche vor der relevanten Sitzung im Internet auf einer eigens zu diesem Zweck eingerichteten Seminarhomepage (http://www.uni-jena.de/ms/home3) für alle zugänglich publiziert, so daß jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer sich bereits vor der Sitzung über den publizierten Reflexionsstand aller Kommilitoninnen und Kommilitonen ins Bild setzen konnte. Das Vorgehen in der Sitzung verlief dann so, daß jeweils eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer des Seminars ein sogenanntes Überblicksreferat vortrug. Diese Überblicksreferate rekonstruierten den thematischen Aristoteles-Text und bezogen dabei die Thesenpapiere der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie Sekundärliteratur ein.
Die Autorinnen und Autoren der Thesenpapiere erfuhren auf diesem Weg von früh an, was es heißt, als Autorinnen und Autoren rezipiert und ernst genommen zu werden. Sie spürten sozusagen am Beispiel der eigenen Publikationen, wie der Text sich im Medium der Publikation von seinem Autor entfremdet und welcher dekonstruktiven Reflexionsprozessse es bedarf, um die Offenheit des Gedankens in der Lektüre wiederherzustellen. Durch gemeinsames Schreiben und Publizieren erlernten sie auf diesem Weg neue Formen der reflektierenden Lektüre, die den Text nicht mehr als einen vorgegebenen allgemeinen Wissenbestand auffaßt, den es unter einer bestimmten Rubrik zu subsumieren gilt, sondern in ihm ein Werkzeug erkennt, das es mit den Mitteln reflektierender Urteilskraft in einem offenen, interaktiven und partizipativen Denkgeschehen pragmatisch sinnvoll nutzen zu lernen gilt.
Sicherlich wäre es möglich gewesen, im Seminar einen ähnlichen Verflechtungsgrad zwischen Thesenpapieren, Überblicksreferaten, Textlektüre und Seminargespräch zu erreichen, wenn die Thesenpapiere und Überblicksreferate nicht ins Internet gestellt, sondern einfach kopiert und die Kopien als Gesprächsgrundlage verteilt worden wären. Dabei hätten wir jedoch auf einen wichtigen Aspekt verzichtet, der für das Internet charakteristisch ist. Durch die Veröffentlichung im Netz wird die geschlossene Öffentlichkeit des Seminars überschritten, so daß die ins Internet gestellten Texte einen darüber hinausgehenden Publikationscharakter erhalten. Dieser Sachverhalt führt dazu, daß die Studierenden von früh an lernen, ihre Texte nicht nur als Texte, sondern darüber hinaus auch als Publikationen im eigentlich Sinn ernst zu nehmen und so zu verfassen, daß sie auch für eine über das Seminar hinausgehende Öffentlichkeit gut lesbar und verständlich sind.
Diesen Aspekt habe ich in einer anderen Jenaer Lehrveranstaltung gezielt weiter ausgebaut. Es handelt sich um ein Proseminar, das ich im Wintersemester 1999/2000 unter dem Titel Einführung in die analytische Philosophie angeboten habe (http://www.uni-jena.de/ms/home3.html). In diesem Seminar waren die formalen wissenschaftlichen Standards für die Verfassung von Thesenpapieren und Überblicksreferaten von Anfang an höher angesetzt als im Aristoteles-Seminar. Parallel wurde es den Studierenden durch die Installation von Zugriffszählern auf den Internetseiten des Seminars ermöglicht, für jede ihrer Publikationen nachzuverfolgen, wie oft sie angeklickt, d.h. wie häufig sie rezipiert wurde.36 Das erhöhte die Motivation der Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmer und führte dazu, daß sie von sich aus die zu publizierenden Texte (sowohl in formalen als auch in inhaltlichen Hinsichten) zunehmend strengeren Maßstäben unterwarfen und auch bereits publizierte Texte aus eigener Motivation (zum Teil im Team und wechselseitig) Korrektur lasen und überarbeiteten. Zugleich haben wir in dieser Lehrveranstaltung die hypertextuelle Struktur des World Wide Web expliziter genutzt als im Aristoteles-Seminar. Die Beiträge sind durch Hyperlinks eng miteinander vernetzt. Darin kommt zum Ausdruck, daß die Studierenden einander in diesem Seminar wechselseitig überaus intensiv rezipiert und ein Bewußtsein dafür entwickelt haben, daß das Seminar als reflektierende und publizierende Gemeinschaft im Internet einer Leserschaft gegenübertritt, welche die Welt des Seminars zugleich auch ein Stück weit transzendiert.
Die Beispiele aus meiner eigenen Lehrpraxis machen klar, daß das Internet nicht nur für Medienwissenschaftler und Medienpädagogen eine große Herausforderung bedeutet, sondern auch und gerade für den Unterricht in scheinbar so medienunabhängigen und abgehobenen Fächern wie der Philosophie kreative Transformationsanstöße liefern kann. Darüber hinaus wird durch die Beispiele deutlich, daß es bildungspolitisch nicht ausreicht, einfach nur neue Computertechnik anszuschaffen, Netzverbindungen herzustellen und intelligente Lehr- und Lernsoftware zu installieren. Der technische Umgang mit den neuen Medien ist keinesfalls eine hinreichende Bedingung für die Ausbildung reflektierender Urteilskraft. Dieser falsche Optimismus, der von vielen Bildungspolitikerinnen und -politikern bis heute verbreitet wird, beruht auf einem mediendeterministischen Vorurteil. Diesem Voruteil gegenüber ist herauszustellen, daß die gezielte Ausbildung reflektierender Urteilskraft ihren pädagogischen Ort nicht allein und nicht zuerst im Computerlabor und vor dem Internetbildschirm hat. Sie beginnt vielmehr in der alltäglichen Kommunikationssituation des normalen, nicht-computerisierten Face-to-Face-Unterrichts, der in einer mediengeprägten Bildungswelt zusammen mit seiner dekonstruktiven Dezentrierung zugleich eine pragmatische Revalidierung erfährt.
1 Vgl. hierzu Robert Musil, der in seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften einen seiner Protagonisten – den General Stumm - „Erfahrungen über Bibliothekare, Bibliotheksdiener und geistige Ordnung“ (Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, hrsg. von Adolf Frisé, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1978, Kapitel 100, S. 459) sammeln und dabei mit Blick auf das bibliothekarische Ordnungssystem zu dem Ergebnis kommen läßt: „das ist der Kältetod, die Leichenstarre, eine Mondlandschaft, eine geometrische Epidemie!“ (Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, a.a.O., S. 464)
2 Vgl. hierzu exemplarisch John Dewey, Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik, Weinheim und Basel, Beltz, 1993 (im Original zuerst: Democracy and Education. An Introduction to the Philosophy of Education, New York, Macmillan, 1916) sowie ders., Erziehung durch und für Erfahrung, eingeleitet, ausgewählt und kommentiert von Helmut Schreier, Stuttgart, Klett-Cotta, 1994.
3 Vgl. hierzu das bereits zitierte Kapitel General Stumm dringt in die Staatsbibliothek ein und sammelt Erfahrungen über Bibliothekare, Bibliotheksdiener und geistige Ordnung in Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften (Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, a.a.O., S. 459-465). General Stumm sucht in der Staatsbibliothek nach einer Ordnung „wie von Eisenbahnfahrplänen, die es gestatten müssen, zwischen den Gedanken jede beliebige Verbindung und jeden Anschluß herzustellen“ (Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, a.a.O., S. 461). Doch diese Form einer pragmatischen Wissensorganisation findet er nicht beim Bibliothekar, sondern nur beim Bibliotheksdiener, der auf die individuellen Interessen und Beziehungen des Generals eingeht. Der Bibliothekar hingegen repräsentiert eine abstrakte (nicht-individuelle) Form der geistigen Ordnung, von der General Stumm abschließend konstatiert: „Irgendwie geht Ordnung in das Bedürfnis nach Totschlag über“ (Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, a.a.O., S. 465).
4 Vgl. hierzu auch Mike Sandbothe, Pragmatische Medienphilosophie. Grundlagen und Anwendungshorizonte im Zeitalter des Internet, Weilerswist, Velbrück Wissenschaft, 2000 (im Druck).
5 Gustav Bergmann, Two Types of Linguistic Philosophy, in: ders., The Metaphysics of Logical Positivism, New York und London, Longmans & Green, 1954, S. 106-131, hier: S. 106 u.ö. (zuerst in: The Review of Metaphysics, Bd. 5, März 1952, S. 417-438, hier: S. 417 u.ö.). Siehe auch The Linguistic Turn. Essays in Philosophical Method, hrsg. von Richard Rorty, Chicago, The University of Chicago Press, 1967.
6 Eine aktuelle Rekonstruktion dieses Übergangs, die auch die kontinentale Philosophie miteinbezieht, findet sich in Jürgen Habermas, Hermeneutische und analytische Philosophie. Zwei komplementäre Spielarten der linguistischen Wende, in: ders., Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1999, S. 65-101.
7 Jacques Derrida, Grammatologie, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1983, S. 19 (im Original zuerst: De la grammatologie, Paris, Les Éditions Minuit, 1967)
8 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 19.
9 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 19.
10 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 25f.
11 Zur kritischen Auseinandersetzung mit diesen und anderen „falschen Verbündeten der Medienpädagogik“ (Dieter Baacke, Medienpädagogik, Tübingen, Niemeyer, 1997, S. 34) siehe Baacke, Medienpädagogik, a.a.O., insbes. S. 34-37.
12 Eine gut verständliche Darstellung von Derridas „Übergang vom Phonozentrismus zum Denken der Schrift“ (Wolfgang Welsch, Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1995, S. 253) findet sich in Welsch, Vernunft, a.a.O., S. 245-302, insbes. S. 253-260.
13 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 17.
14 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 75.
15 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 97.
16 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 97.
17 Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 99.
18 Friedrich Kittler, Grammophon-Film-Typewriter, Berlin, Brinkmann & Bose, 1986; ders. Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig, Reclam 1993; ders., Aufschreibesysteme 1800/1900, München, Fink, 3. vollst. überarbeitete Auflage, 1995.
19 Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Opladen, Westdeutscher Verlag, 2. erweiterte Auflage, 1996; ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1997, insbes. Bd. 1, Kapitel 2: Kommunikationsmedien, S. 190-412.
20 Siegfried J. Schmidt, Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1994; ders., Die Welten der Medien. Grundlagen und Perspektiven der Medienbeobachtung, Braunschweig und Wiesbaden, Vieweg, 1996.
21 Peter Koch und Sybille Krämer, Einleitung, in: dies., Schrift, Medien, Kognition. Über die Exteriorität des Geistes, Tübingen, Stauffenburg Verlag, 1997, S. 12.
22 Zur Vorgeschichte der pragmatischen Medienphilosophie bei Peirce, James, Dewey, Nietzsche und Wittgenstein vgl. Mike Sandbothe, Pragmatismus und philosophische Medientheorie, in: Repräsentation und Interpretation, hrsg. von Evelyn Dölling, Reihe: Arbeitspapiere zur Linguistik, TU Berlin, 1998, S. 99-124.
23 Vgl. hierzu Richard Rorty, Dekonstruieren und Ausweichen, in: ders., Eine Kultur ohne Zentrum, Stuttgart, Reclam, 1991, S. 104-146 (im Original zuerst in: Critical Inquiry, Bd. 11, September 1984, S. 1-23; wiederabgedruckt in: ders., Essays on Heidegger and Others, Philosophical Papers, Bd. 2, Cambridge und New York, Cambridge University Press, 1991, S. 85-106).
24 Richard Rorty, Sind Aussagen universelle Geltungsansprüche?, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Bd. 42, 1994, S. 975-988, hier: S. 976.
25 Vgl. Mike Sandbothe, Der pragmatische Dreh des linguistic turn, in: Die Renaissance des Pragmatismus. Aktuelle Verflechtungen zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie, hrsg. von Mike Sandbothe, Weilerswist, Velbrück Wissenschaft, 2000.
26 In diesem Sinn stellt Rorty heraus: „Denn auch wenn wir dem zustimmen, daß Sprachen keine Medien der Darstellung [der äußeren Realität – M.S.] oder des Ausdrucks [der inneren Realität – M.S.] sind, bleiben sie doch Medien der Kommunikation, Werkzeuge sozialer Interaktion, Weisen, uns an andere Menschen zu binden“ (Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1989, S. 80).
27 Vgl. hierzu und zum folgenden Richard Rorty, Der Vorrang der Demokratie vor der Philosophie, in: ders., Solidarität oder Objektivität? Drei philosophische Essays, Stuttgart, Reclam, 1988, S. 82-125; ders., Hoffnung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie, Wien, Passagen, 1994, insbes. Kapitel III, S. 67-89; ders., Menschenrechte, Vernunft und Empfindsamkeit, in: ‚Kultur‘ und ‚Gemeinsinn‘, hrsg. von Jörg Huber und Alois Martin Müller, Basel und Frankfurt a.M., Stroemfeld/Roter Stern, 1994, S. 99-126.
28 Rorty, Hoffnung statt Erkenntnis, a.a.O., S. 80.
29 Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1989, S. 16.
30 Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, a.a.O., S. 16.
31 Zur Binnendifferenzierung des Medienbegriffs vgl. Mike Sandbothe, Interaktivität-Hypertextualität-Transversalität. Eine medienphilosophische Analyse des Internet, in: Mythos Internet, hrsg. von Stefan Münker und Alexander Rösler, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1997, S. 56-82, insbes. S. 56f.
32 Vgl. Mike Sandbothe, Virtuelle Temporalitäten. Zeit- und identitätsphilosophische Aspekte des Internet, in: Identität und Moderne, hrsg. von Alois Hahn und Herbert Willems, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1999, S. 363-386.
33 Selbstverständlich ist der Sachverhalt, daß wir durch den Austausch von Schriftzeichen Bücher bestellen können, kein ausgezeichnetes Charakteristikum des World Wide Web. Wir können einen solchen Bestellvorgang ja auch per Briefpost oder Fax durchführen. Das Besondere liegt darin, daß im Web die pragmatische Dimension unseres Zeichengebrauchs durch die unmittelbare Antwort, die unsere Bestellung in einem interaktiven System erfährt, explizit und bewußt gemacht wird.
34 Vgl. Mike Sandbothe, Das Internet als Massenmedium. Neue Anforderungen an Medienethik und Medienkompetenz, in: Bildung und Erziehung, Bd. 52, 1999, Heft 1, Themenheft: Der pädagogische Diskurs im Internet, S. 65-83.
35 Vgl. Mike Sandbothe, Globalität als Lebensform. Überlegungen zur Ausbildung einer internetspezifischen Urteilskraft, in: Zum Bildungswert des Internet, hrsg. von Winfried Marotzki, Dorothee M. Meister und Uwe Sander, Opladen, Leske und Budrich, 2000.
36 Dabei haben sich beachtliche Zugriffszahlen ergeben, die u.a. auch darauf zurückgehen, daß die Thesenpapiere und Überblicksreferate der Jenaer Studierenden auch von Studierenden anderer Universitäten, die sich mit dem gleichen Thema befassen, gelesen werden.