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Quelle: http://www.sandbothe.net/40.html

Prof. Dr. Mike Sandbothe


erschienen in: Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, hrsg. von Herbert Willems und Martin Jurga, Opladen: Westdeutscher Verlag 1998, S. 583-595. (auch in: Kommunikation im Wandel. Zur Theatralität der Medien, hrsg. von Udo Göttlich, Jörg-Uwe Nieland und Heribert Schatz, Köln: Herbert von Halem Verlag 1998, S. 209-227).

Mike Sandbothe

Theatrale Aspekte des Internet

Prolegomena zu einer zeichentheoretischen Analyse theatraler Textualität

In Zeiten des Übergangs haben Metaphern Konjunktur. Und das ist keineswegs verwunderlich. Denn die Metapher, d.h. die Übertragung von einem semantischen Bereich in einen anderen, ist dasjenige sprachliche Instrument, das es uns erlaubt, einen Übergang als Übergang in Worte zu fassen. Die Metapher ist ein Ausdruck, der in sich selbst changiert, d.h. den historischen Übergang als semantischen Übertragungsprozeß zur Darstellung bringt. In Zeiten des Übergangs, in denen mit den Phänomenen auch die Begriffe in Bewegung geraten, gibt es kaum exaktere und angemessenere sprachliche Instrumentarien als Metaphern. Aber auch für Metaphern gilt, wie für alle Worte, die wir benutzen, daß es wichtig ist, uns über den Gebrauch, den wir von ihnen machen, zu verständigen. Geschieht das, dann können Metaphern auf anspruchsvolle Weise zur wissenschaftlichen Erhellung komplexer Phänomene eingesetzt werden. Eine Metapher ist nicht per se unpräzise und schöngeistig, ein Begriff nicht per se präzise und wissenschaftlich. In beiden Fällen ist die Frage der Präzision und der Wissenschaftlichkeit eine Frage des Gebrauchs. Was ich im folgenden versuchen möchte, ist, einige Ausdrücke, die wir gewöhnlich nicht als Metaphern nutzen, metaphorisch so in Bewegung zu setzen, daß sie zu Zwecken der Beschreibung unseres Umgangs mit dem Internet tauglich werden. Als Leitfaden für die methodische Metaphorisierung dieser Ausdrücke, zu denen zeichentheoretische Grundbegriffe wie 'Bild', 'Sprache' und 'Schrift' gehören, dient mir dabei das semantische Feld der Theatralität.

Theatrale Aspekte spielen im Internet in vielfältiger Hinsicht eine wichtige Rolle. Das soll im folgenden anhand einer kleinen Phänomenologie theatraler Aspekte des Internet vor Augen geführt werden. Drei unterschiedliche Aspekte von Theatralität treten dabei hervor, von denen sich einer als semiotisch grundlegend erweisen wird. Auf dem Weg einer zeichentheoretischen Analyse dieses semiotisch grundlegenden Theatralitätsaspekts werde ich versuchen, die semiotische Grundverfassung des Internet als Verfassung theatraler Textualität zu exponieren. Zuvor jedoch möchte ich in einer einleitenden Reflexion die begrifflichen Verschiebungen im Theatralitätskonzept thematisieren, die meines Erachtens notwendig werden, wenn man das Internet unter theatralen Gesichtspunkten analysieren möchte.

Vorüberlegungen zum Theatralitätsbegriff

Als exemplarische Theatralitätsbestimmungen, die von den meisten Theatralitätsforschern implizit oder explizit vorausgesetzt werden, dürfen die Bestimmungen der Transitorität, der Prozessualität und der Korporalität theatralen Verhaltens gelten. Diese drei fundamentalen Theatralitätsbestimmungen rekurrieren auf das Theater als klassisches Paradigma der Theatralitätsforschung, um an seinem Leitfaden zugleich auch Phänomene beschreibbar zu machen, die außerhalb des Bereichs des Theaters liegen. Die genannten Theatralitätsbestimmungen sind mit Blick auf die theatralen Aspekte des Internet ein Stück weit zu relativieren.1

Ich beginne mit der Transitorität. Exemplarisch hat Joachim Fiebach in den siebziger Jahren ausgehend von Brechts Straßenszene Theatralität als einen "Prozeß" bestimmt, "der sich in unmittelbarer Tätigkeit von Darstellenden und Zuschauenden raumzeitlich entfaltet und verzehrt."2 Gleich zu Beginn des ersten Buches ihrer dreibändigen Semiotik des Theaters stellt auch Erika Fischer-Lichte die Transitorität theatraler Prozesse als fundamentale Theatralitätsbestimmung heraus. Sie schreibt: "Das materielle Artefakt des Theaters hat nicht - wie etwa ein Bild oder der Text eines Gedichts - eine von seinen Produzenten abgehobene, fixierbare autonome Existenz, sondern existiert nur im Prozeß seiner Herstellung."3 Und sie ergänzt: "Das Transitorische des Theaters (...) hat sein Eigenes nicht nur darin, daß es sich - wie Musik oder auch mündliche Erzählung - in der Zeit realisiert, sondern daß diese seine Realisation an ihre Urheber gebunden bleibt, keine übertragbare, wiederholbare, eigenständige Existenz besitzt."4

Sicherlich ist unter den Bedingungen einer durch die elektronischen Massenmedien bestimmten Kultur die Akzentuierung der authentischen Situativität, der unreproduzierbaren Einmaligkeit und der unhintergehbaren Transitorität theatraler Vollzüge sinnvoll und geboten. Das Besondere nicht nur des Theaters, sondern auch vieler anderer Formen von Theatralität (wie z.B. von Popkonzerten, Fußballspielen, Zirkusveranstaltungen, Festen, politischen Zeremonien, Wahlkampf- oder Kongreßveranstaltungen) besteht gerade in der aktuellen, d.h. auf die vergängliche Dauer eines ausgezeichneten Zeitabschnitts beschränkten und dadurch zugleich intensivierten Anwesenheit einer durch räumliche Vorgaben begrenzten Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Es ist diese spezifische Differenz, durch die theatrale Prozesse der beschriebenen Art gegenüber den massenmedialen Zeitkonserven ausgezeichnet sind, die uns von den elektronischen Medien tagaus und tagein präsentiert werden. Die Betonung dieser für bestimmte Theatralitätsformen charakteristischen Auszeichnung hat allerdings bei vielen Theoretikern dazu geführt, daß der Gegenstandsbereich der Theatralitätsforschung ohne Not auf Theatralitäten der beschriebenen Art begrenzt wurde. Diese Begrenzung gilt es zu problematisieren.

Bereits unter Film-, Fernseh- und Radiobedingungen, d.h. durch die Möglichkeit der audiovisuellen Aufzeichnung, Inszenierung oder Simulation theatraler Prozesse kommen Aspekte einer medialen Theatralität in den Blick, die bei einer strengen Fixierung auf das Transitoritätsmoment aus dem Gegenstandsbereich der Theatralitätsforschung ausgeschlossen blieben.5 Die Berücksichtigung dieser nicht-transitorischen, weil reproduzierbaren Formen medialer Theatralität muß keinesfalls auf das von Walter Benjamin bereits in den dreißiger Jahren mit Blick auf den Stummfilm angestimmte Loblied auf die "Zertrümmerung der Aura"6 durch das "Dynamit der Zehntelsekunden"7 hinauslaufen. Es gilt vielmehr, die Differenz von medialen und nicht-medialen Darstellungsformen als eine Binnendifferenz von Theatralitätstypen zu verstehen, die jeweils ihre Eigenarten und Besonderheiten haben und nicht von vornherein normativ zu evaluieren sind. Diese Maxime ist in verstärktem Maße zu berücksichtigen, wenn man versucht, die für das Internet charakteristischen Aspekte von Theatralität zu analysieren.

Im Unterschied zu den klassischen Broadcast-Medien der elektronischen Rundfunkkultur ermöglichen die Kommunikationsdienste des Internet schriftbasierte sowie zunehmend auch bild- und tonbasierte Formen der direkten, synchronen und reziproken Interaktion zwischen einer Vielzahl von Nutzerinnen und Nutzern. Insofern kann man sagen, daß das Internet eine medientechnische Einlösung derjenigen Forderungen mit sich bringt, die einst Bertolt Brecht in seiner Radiotheorie in kritischer Absicht an den Rundfunk gestellt hatte: "Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen."8

Die durch das Internet ermöglichten telematischen Interaktionsformen sind mit den offenen und reziproken Kommunikationsstrukturen, die wir aus face-to-face-Gesprächen kennen, in vielen Hinsichten vergleichbar. Ähnlich wie das Telefon ermöglichen die Kommunikationsdienste des Internet ihren Nutzerinnen und Nutzern eine telekommunikative Gesprächssituation, die unabhängig ist von der physischen Anwesenheit der Gesprächsteilnehmerinnen und Gesprächsteilnehmer. Mit den technischen Möglichkeitsbedingungen der Telepräsenz, durch die sich das Online-Gespräch vom alltäglichen Vis-à-vis-Gespräch unterscheidet, hängt zugleich zusammen, daß Internet-Interaktionen jederzeit von jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer auf dem eigenen PC oder Server gespeichert und reproduzierbar gemacht werden können. Zwar besteht auch in nicht-medialen Kontexten prinzipiell die Möglichkeit der audiovisuellen Aufzeichnung. Die zunehmende Präsenz von Videokameras in lebensweltlichen Zusammenhängen macht das evident.9 Mit Blick auf das Internet aber ist herauszustellen, daß die digitale Bühne des Cyberspace, d.h. der Raum, in dem die virtuellen Interaktionen stattfinden, technisch gesehen selbst ein Speichermedium ist. Das ist bei den alltäglichen Lebensräumen, in denen wir uns IRL10 bewegen, nicht der Fall und markiert eine der basalen Differenzen, durch welche sich die virtuelle Welt des Internet von der physischen Welt des Alltagslebens unterscheidet.

Zugleich ist in diesem Zusammenhang aber auch auf die Differenz hinzuweisen, die in Sachen Speicherbarkeit und Reproduzierbarkeit zwischen Internet auf der einen Seite und Fernsehen und Radio auf der anderen besteht. Während jeder Fernseh- und Radiobeitrag, der gesendet wird, im Regelfall von der Sendeanstalt zugleich auch mitgeschnitten und im Archiv abgelegt wird, liegt die Aufzeichnung von Internet-Interaktionen in den Händen der einzelnen Teilnehmerin und des einzelnen Teilnehmers. Sie besteht jederzeit als Möglichkeit, ist aber nicht institutionalisiert und wird von den einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur in Ausnahmefällen durchgeführt. Wurde die Speicherung durchgeführt, dann besteht freilich ohne weiteres die Möglichkeit, die aufgezeichneten Interaktionen in konservierter Form im Internet via Suchmaschinen recherchierbar und damit weltweit zugänglich zu machen.

Diese letztgenannte, nicht auf die direkte, persönliche Kommunikation zwischen synchron telepräsenten Akteuren, sondern auf die dekontextualisierte Publikation von Information abzielende Nutzungsform des Internet ist charakteristisch für die hypertextuelle Anwenderoberfläche des World Wide Web. Im World Wide Web wird das Speichermedium Internet explizit als Aufzeichnungs- und Publikationsmedium genutzt. Mit den darauf basierenden Anwendungen, die dem Internet in den letzten Jahren quasi biologische Wachstumsraten verschafft haben, hängt zusammen, daß für das Internet nicht nur die mehr oder weniger offensichtlichen Formen von Theatralität zu berücksichtigen sind, die sich in der synchronen Interaktion der Kommunikationsdienste realisieren. Darüber hinaus kommt vielmehr die theatrale Verfassung ins Spiel, durch welche die semiotische Struktur der graphischen Anwenderoberfläche des World Wide Web auf einer basalen Ebene bestimmt ist. Aus zeichentheoretischer Perspektive kann man sagen, daß sich im World Wide Web eine Theatralisierung der klassischen Monumentalmedien Bild und Schrift vollzieht. Aus diesem Sachverhalt, auf den ich im Fortgang ausführlicher eingehen werde, ergibt sich zugleich die Problematisierung der zweiten Determinante, die häufig als Grundbestimmung für Theatralität herangezogen wird. Ich meine die Bestimmung der Prozessualität.

Theatralität wird von Theaterwissenschaftlern wie Fiebach, Fischer-Lichte u.a. als prozessualer und dynamischer Vollzug von der monumentalen Statik schrift- und bildhafter Strukturen abgegrenzt. Dies wurde in den oben zitierten Äußerungen der genannten Autor(inn)en bereits deutlich. Im Hintergrund steht dabei die als grundlegend aufgefaßte Opposition von theatraler Oralität und momumentaler Literalität.11 Die kommunikativen und semiotischen Verhältnisse des Internet unterlaufen diese für die zeitgenössische Theatralitätsforschung zentrale Opposition. Mit Blick auf die Theatralität des Internet ist nicht allein von theatralen Prozessen, sondern auch und vor allem von theatralen Strukturen zu sprechen. Die zentrale Leitthese der folgenden Überlegungen besteht in der Annahme, daß sich im Internet eine Theatralisierung der traditionell als nicht-theatral aufgefaßten medialen Zeichenstrukturen von Bild und Schrift vollzieht.

Mit dieser Leitthese hängt auch die dritte begriffliche Erweiterung des Theatralitätskonzepts zusammen, die sich unter Internet-Bedingungen aufdrängt. Sie betrifft die Voraussetzung der Korporalität, d.h. der Körperhaftigkeit oder Körpergebundenheit theatraler Prozesse. Diese Voraussetzung markiert einen zentralen Bestandteil des modernen Theatralitätsverständnisses. Darauf weist Helmar Schramm im Schlußkapitel seines Buches Karneval des Denkens. Theatralität im Spiegel philosophischer Texte des 16. und 17. Jahrhunderts hin, wenn er schreibt: "Wie auch immer 'Theater' definiert werden mag, unumstritten dürfte die Tatsache sein, daß es sehr wesentlich mit der physischen Präsenz darstellender Personen verbunden ist."12 Auch in diesem Punkt führen die medialen Verhältnisse des Internet zu einer Relativierung der üblichen Theatralitätsterminologie. Das gilt zum einen mit Blick auf die Theatralisierung, die unser Umgang mit Bild, Sprache und Schrift im World Wide Web erfährt. Darauf werde ich an späterer Stelle ausführlich eingehen. Zum anderen ist bezüglich der schriftbasierten Online-Chats darauf hinzuweisen, daß die 'virtuelle Realität' des Internet nicht zuletzt deshalb als 'virtuell' bezeichnet wird, weil es sich bei ihr um eine Realitätsform handelt, deren Konstruktion sich in einem künstlichen digitalen Raum vollzieht, in dem die Nutzerinnen und Nutzer losgelöst von den raum-zeitlichen Zwängen ihrer physischen Körperlichkeit virtuelle Körper mit imaginären Eigenzeiten und Eigenräumen erfinden können

Es ist interessant zu sehen, wie sehr begriffliche Grundbestimmungen kultur-, theater- und sozialwissenschaftlicher Forschung implizit durch mediale Voraussetzungen geprägt sind. Das wird häufig erst explizit und bewußt, wenn sich - wie es gegenwärtig geschieht - die medialen Grundstrukturen einer Gesellschaft verändern. Ich komme nun zu der angekündigten kleinen Phänomenologie theatraler Aspekte des Internet.

Kleine Phänomenologie theatraler Aspekte des Internet

Um eine erste Übersicht zu verschaffen, erscheint es mir hilfreich, drei Aspekte von Theatralität im Internet voneinander abzugrenzen. Der erste Aspekt hat mit theatralen Prozessen im engen und primären Wortsinn von 'Theatralität', d.h. mit der Theatralität des Theaters zu tun. Als 'theatral' in diesem Sinn bezeichne ich theaterähnliche Aufführungen, in deren Zentrum die dramatische Inszenierung fiktionaler Handlungsabläufe auf einer mehr oder weniger öffentlich zugänglichen Bühne steht.

Prozesse dieser Art sind für die interaktiven Rollenspiele prägend, die auf den virtuellen Bühnen des Internet in den weit über 500 sogenannten Multi User Dungeons (MUDs)13 auf der Basis synchroner schriftlicher Kommunikation stattfinden.14 Weltweit verwandeln sich in den imaginären Kommunikationslandschaften der MUDs und MOOs alltäglich und allnächtlich Hunderttausende von Mediennutzern aus passiven Fernsehzuschauern in aktive Internetschauspieler. Den anonymen, unidirektionalen Bildwelten des Fernsehens und den häufig kulturell erstarrten, professionalisierten Interaktionsformen der etablierten Theaterinstitutionen treten via Internet Praktiken nicht-professionellen Rollenspiels entgegen. Diese sind in die virtuellen Lebenswelten der Netizens unmittelbar eingebunden, da sie sich unter Netzbedingungen als gleichsam 'natürlich' anmutende Kommunikationsformen nahelegen. Denn im Netz ist infolge der medialen Entkörperlichung seiner Akteure die Kommunikation von den psychosozialen Aspekten einer raum-zeitlich fixierbaren Körperidentität entlastet, die dem theatralen Spiel mit Identitäten im 'wirklichen' Leben physische Grenzen setzt.

Der zweite theatrale Aspekte des Internet hat mit theatralen Prozessen im weiten Wortsinn von 'Theatralität' zu tun, d.h. mit Theatralitätsformen, die außerhalb der Theatralität des Theaters situiert sind. Damit meine ich Formen alltäglicher Selbstdarstellung, also die öffentlich oder teilöffentlich um Gunst und Schätzung werbende Selbstinszenierung von Menschen, Institutionen und Themen. Das Internet läßt sich als Ort permanenter Public Relations, als Raum einer auf Dauer gestellten Öffentlichkeitsarbeit beschreiben. Wer mit einer eigenen Homepage im Web ist, inszeniert sich und das, wofür er steht. Er macht Reklame, d.h. er ruft sich bei anderen ins Gedächtnis bzw. schreibt sich in das kollektive Gedächtnis des mit Hilfe von Suchmaschinen recherchierbaren digitalen Informationssystems Internet ein. Das gilt nicht nur für Firmen, Institutionen und Vereinigungen, sondern auch für Individuen. Das Internet funktioniert als eine Form kollektiver Prostitution, die häufig die Veröffentlichung auch noch des Individuellsten und Intimsten einschließt. Auf den Homepages vieler privater Internetnutzer, die vor allem in den kommerziellen Netzdiensten von AOL und CompuServe einen enormen Zuwachs verzeichnen, werden individuelle Vorlieben öffentlich gemacht, die vom Lieblingsgericht und der Lieblingsfernsehsendung über die Pallette der aktuellen Hobbies, Gesundheits- und Figurprobleme bis hin zu detaillierten Schilderungen individuell bevorzugter Sexualpraktiken reichen. Diese Rituale der Selbstentblößung habe ich im Blick, wenn ich von Internet-Theatralität im weiten Sinn spreche.15

Der dritte theatrale Aspekt des Internet hat mit theatralen Strukturen im weitesten Sinn von 'Theatralität' zu tun, d.h. mit einer epistemologisch basalen Ästhetisierung unseres Umgangs mit Zeichen.16 Auch dieser Typus von Theatralität ist außerhalb der Theatralität des Theaters angesiedelt. Im Unterschied zum zweiten Theatralitätsaspekt, bei dem es sich um eine alltägliche Oberflächentheatralisierung menschlicher Selbstdarstellung handelt, verweist der dritte Theatralitätsaspekt explizit auf eine grundlegende Tiefentheatralisierung der symbolischen Formen menschlicher Kommunikation.

Was ich im Blick habe, ist der Sachverhalt, daß die hypertextuelle Verfassung des World Wide Web einen vernetzten Raum des Schreibens und Denkens eröffnet, für den charakteristisch ist, daß er auf der semiotischen Basisebene zu einer Revalidierung bildhaft-dramatischer und aphoristisch-inszenatorischer Darstellungsformen führt. Autor und Leser lassen sich im World Wide Web nicht mehr trennscharf scheiden. Beide agieren als semiotische Dramaturgen und ästhetische Designer, die das Spiel der Signifikanten auf dem Schauplatz der digitalen Schrift theatral inszenieren und modellieren. Die dynamische Konstellation des interaktiven Hypertextgewebes im Raum, die Verflechtung von Bild, Sprache, Musik und Schrift zu einem transversalen Medienhybrid, die taktile Auszeichnung einzelner Zeichenkomplexe als anklickbare Links oder die von Java angebotenen Möglichkeiten, Buchstaben in Bewegung zu setzen und in graphische Szenen einzubetten - das alles sind Erscheinungsformen dessen, was ich als basale Tiefentheatralisierung unserer semiotischen "Weisen der Welterzeugung"17 bezeichnen möchte.

Der basale Charakter dieser semiotischen Tiefentheatralisierung liegt darin begründet, daß durch sie Theatralität in den Fundamenten unseres Zeichengebrauchs selbst verankert wird. Dabei handelt es sich um einen Transformationsprozeß, dessen Verlauf und dessen Effekte sich zum derzeitigen Zeitpunkt nur tentativ umreißen lassen. Bei dem folgenden Versuch, einen solchen ersten Aufriß dieses Transformationsgeschehens zu geben, lasse ich mich von der Annahme leiten, daß das semiotische Basisgefüge von Bild, Sprache und Schrift unter Internetbedingungen auf eine Konstellation zusteuert, die sich als 'theatrale Textualität' beschreiben läßt.18

Digitale Verflechtungen und theatrale Textualität

An anderer Stelle habe ich die Veränderungen in unserem Zeichengebrauch, die der Übergang zum vernetzten Mediensystem des Internet mit sich bringt, als "digitale Verflechtungen"19 beschrieben. Unter diesem Titel kommen drei grundlegende semiotische Tranformationstendenzen in den Blick: die Verschriftlichung der Sprache, die Verbildlichung der Schrift und die Verschriftlichung des Bildes. Auf dem Weg einer Explikation dieser drei für das Internet charakteristischen Transformationstendenzen läßt sich die Verfassung theatraler Textualität freilegen.

Zur Beschreibung der ersten Verflechtungstendenz, die ich als Verschriftlichung der Sprache bezeichne, ist es hilfreich, sich zunächst noch einmal an den textorientierten Kommunikationsdiensten zu orientieren. Diese Dienste bilden die medientechnische Basis für die interaktiven Rollenspiele, die am Anfang meiner kleinen Phänomenologie theatraler Aspekte des Internet standen. Mit Blick auf die Nutzung dieser im Verhältnis zum World Wide Web 'älteren' und einfacher strukturierten Anwendungen, die neuerdings zunehmend ins Web integriert werden, lassen sich signifikante Veränderungen in unserem Gebrauch von Sprache und Schrift herausarbeiten. In der "Computer Mediated Communication" verflechten sich Merkmale, die bisher als Differenzkriterien zur Unterscheidung von Sprache und Schrift dienten.20 Die traditionelle Auszeichnung der gesprochenen Sprache als Medium der Präsenz wird durch die 'appräsente Präsenz' der Teilnehmer im geschriebenen Gespräch des On-line Chat in Frage gestellt. Es ist dieses performative Schreiben eines Gesprächs, in dem Sprache interaktiv geschrieben statt gesprochen wird, das ich als Verschriftlichung der Sprache bezeichne.

Daß es sich dabei um einen Modus der semiotischen Tiefentheatralisierung unseres Zeichengebrauchs handelt, wird deutlich, wenn man die Verschriftlichung der Sprache, die im geschriebenen Gespräch des Online-Chat stattfindet, zugleich als eine Versprachlichung der Schrift begreift. Das Medium der Schrift wird unter Buchdruckbedingungen als eine Verbreitungstechnologie genutzt, welche die unmittelbare Interaktion zwischen Sender und Empfänger ausschließt. Das Internet eröffnet demgegenüber Nutzungsmöglichkeiten, durch welche die Schrift als ein Medium einsetzbar wird, das den permanenten Wechsel zwischen Sender- und Empfängerposition ähnlich flexibel zu gestalten erlaubt, wie es im gesprochenen Gespräch der Fall ist. Wenn ich von einer Versprachlichung der Schrift rede, meine ich diese sprachanaloge, d.h. reziproke Nutzungsform einer im Gesprächsmodus interaktiv verwendeten Schrift.

Als theatral wird die Online-Kommunikation aber nicht allein und nicht primär aufgrund des Sachverhalts wahrgenommen, daß sie bestimmte Momente der face-to-face-Kommunikation telematisch reproduziert. Entscheidend ist vielmehr, daß die aus dem Vis-à-vis-Gespräch bekannten Interaktivitätsmomente im Modus der Schrift auf eine medial entfremdete Weise neu inszeniert werden. Um die aus dieser Neukonstituierung des Verhältnisses von Sprache und Schrift hervorgehende, theatrale Binnenverfassung der beiden Zeichensysteme semiotisch zu präzisieren, ist es hilfreich, sich darauf zu besinnen, wie das Verhältnis von Sprache und Schrift traditionell bestimmt worden ist.

Die Buchstaben der Schrift wurden seit Platon und Aristoteles als Zeichen von Zeichen21 definiert und der gesprochenen Sprache als einem System untergeordnet, das nicht seinerseits auf arbiträre Zeichen, sondern vielmehr auf authentische Vorstellungen und außersprachliche Gegenstände verweisen sollte. Diese Voraussetzung, die von Jacques Derrida als "Phonozentrismus"22 des abendländischen Denkens philosophisch dekonstruiert worden ist, wird durch die Neuinszenierung des Verhältnisses von Sprache und Schrift im Internet medienpragmatisch unterlaufen. Im Online-Chat fungiert Sprache als Schrift, d.h. das gesprochene Wort realisiert sich im Schreiben als Zeichen von Zeichen. Und zugleich fungiert Schrift im Online-Chat als interaktiv modellierbares und kontextuell situiertes Schreiben von Sprache, d.h. das geschriebene Wort wird nicht länger als Zeichen eines authentischen, selbst vermeintlich nicht mehr zeichenhaften Zeichens mißdeutet, sondern als Zeichen von Zeichen von Zeichen usw., d.h. als unendlicher semiotischer Verweisungszusammenhang verstanden.

Geht man auf diesem Hintergrund zur zweiten der drei digitalen Verflechtungstendenzen über - nämlich zur Verbildlichung der Schrift - dann drängt sich die These auf, daß an die Stelle der lautlichen Präsenz, die für den Phonozentrismus charakteristisch war, in der graphischen Anwenderoberfläche des World Wide Web eine andere Form der Präsenz trete. Dabei würde es sich um die auf Ähnlichkeit beruhende visuelle Gegenwart eines abwesenden Referenten handeln, die wir traditionell mit der Vorstellung des Bildes als eines "natürlichen Zeichens"23 verbinden. Jay David Bolter vertritt diese These in einigen neueren Aufsätzen, die sich mit der Stellung des "Internet in der Geschichte der Technologien des Schreibens"24 befassen. Bolter schreibt: "Der naive Glaube an die Unmittelbarkeit des Bildes hat eine lange Geschichte, deren Spur sich von der Erfindung der perspektivischen Malerei bis in die Gegenwart hinein verfolgen läßt. Auch heute wird selbst der raffinierteste Betrachter des World Wide Web in Versuchung geführt, den komplexen Charakter einer Webseite zu vergessen, um sich auf das statische oder bewegte Bild als direkte Abbildung der Wirklichkeit zu konzentrieren."25 Bolter folgend hätte man demnach mit Blick auf das World Wide Web mehr oder weniger pejorativ von einer Verbildlichung der Schrift in dem Sinn zu reden, daß die Relevanz von Sprache und Schrift zusehends durch die Vorherrschaft von Bildern unterminiert würde.

Aber Bolter beläßt es nicht bei diesem negativen Szenario. Er deutet darüber hinaus die Möglichkeit einer Verbildlichung der Schrift an, die keines der beiden Zeichensysteme unverändert läßt. So stellt Bolter am Ende des bereits zitierten Aufsatzes heraus: "Die Illusion der Präsenz wird im Internet neben einfallsreicheren und intelligenteren Formen hypertextueller Kommunikation existieren, in denen Wort und Bild auf selbstbezügliche Art miteinander interagieren."26 Diese Art transversaler, d.h. querlaufender Interaktion, durch die beide Relate in ihrem Inneren transformiert werden, kommt in den Blick, wenn man die Verbildlichung der Schrift mit der in sie eingebundenen Tendenz zur Verschriftlichung des Bildes zusammendenkt.

Ähnlich wie die Bilder, die in einer Theateraufführung auf der Bühne eine dramaturgische Rolle spielen, vom Zuschauer nicht isoliert als Bilder rezipiert werden, sondern als Bilder, die Bilder darstellen, können piktoriale Zeichen auf dem digitalen Schauplatz des Docuverse als Verweisungen fungieren, die in den konkreten Handlungsraum des pragmatischen Netznutzungsgeschehens eingebunden sind. Diese pragmatische Abkopplung des Bildes von seiner Abbildungsfunktion bezeichne ich als Verschriftlichtung des Bildes. Wenn wir Schriftzeichen lesen, lesen wir nicht jeden Buchstaben und jedes Wort als etwas, das aufgrund irgendeiner Ähnlichkeitsrelation zu etwas Außersprachlichem in Beziehung steht. Wir lassen uns beim Lesen vielmehr von einem Buchstaben zum nächsten, von einem Wort zum nächsten, von einem Satz zum nächsten usw. verweisen. Eine solche flottierende Lektüreform spielt sich im World Wide Web auch beim Umgang mit piktorialen Zeichen ein. Wir lesen das Bild als ein Zeichen, das uns nicht nur semantisch, sondern auch und vor allem pragmatisch, d.h. durch einen einfachen Mausklick auf andere Zeichen verweist.

Im gleichen Zug verändert sich auch unser Umgang mit der Schrift. Und zwar derart, daß die flottierende Lektüre von Schriftzeichen durch eine für das hypertextuelle World Wide Web charakteristische bildhafte Dramatisierung des Zeichenarrangements modifiziert wird. Hypertextuelle Links fungieren in der digitalen Schrift als Schnittstellen, die den linearen Zeichenfluß des einzelnen Textes konterkarieren und sich statt dessen als gedankliche Knotenpunkte anbieten, die dem Leser die Möglichkeit geben, im Vollzug der Lektüre die individuelle Konstellation des Textes, d.h. die Abfolge von Textbausteinen und den unmittelbaren Anschluß an Inter-, Para-, Meta- und Hypotexte27 aktiv mitzugestalten. In diese offene, nicht-lineare Art der flottierenden Rezeption von Zeichen gehen Wahrnehmungsformen ein, die wir aus der Rezeption von Bildern kennen. Bei der Wahrnehmung eines Bildes werden wir - anders als bei der Lektüre eines Buches - nicht von vornherein dazu verführt, einem linearen Abfolge-Pattern des Gedankenaufbaus zu folgen. Die piktorialen Elemente, aus denen sich ein Bild zusammensetzt, eröffnen vielmehr unterschiedliche Muster der nicht-linearen Rezeption und damit unterschiedliche Formen der Lektüre und der Konstruktion des Bildes als sinnhafter Einheit.

Die semiotische Verfassung theatraler Textualität läßt sich auf diesem Hintergrund rezeptionsästhetisch als eine Wahrnehmungshaltung bestimmen, die zwischen den beiden Extremen einer unmittelbaren, aktiven Partizipation, die das reale Handeln in der konkreten Lebenspraxis charakterisiert, und der reflektierenden Distanz der Theorie anzusiedeln ist, die durch das Medium des Buches befördert wird. Die Theatralisierung unseres Umgangs mit Bild, Sprache und Schrift, die sich im World Wide Web vollzieht, kristallisiert sich in einer Verfassung von Textualität, die den Leser aktiv in das Geschehen nicht nur der interpretativen Sinnkonstitution, sondern auch der materiellen Textkonstruktion miteinbezieht. Der Leser eines Hypertextes ist nicht nur theoretisch engagiert in dem Sinn, daß er interpretierend den Sinn des Textes miterzeugt. Durch die individuelle Auswahl der Links greift er darüber hinaus in den textuellen Raum mit ein und konstruiert das, was er liest, indem er es liest.

Zusammenfassend kann man sagen, daß sich die rezeptionsästhetische Spezifität theatraler Texte in einer pragmatischen Theatralisierung unserer Zeichenverwendung und Sinnkonstitution niederschlägt. Der aktive Verstehenscharakter, der dem hermeneutischen Geschehen der Lektüre eigen ist, wird durch die pragmatische Dimension theatraler Textualität expliziert und radikalisiert. Zugleich unterscheidet sich die Theatralität digitaler Hypertexte durch diese ihre pragmatische Dimension von der Theatralität des Theaters. Zwar sind beide Theatralitäten in einem poietischen Mittelbereich zu situieren, der zwischen den Extremen der handelnden Praxis und der reflektierenden Theorie liegt.28 Aber die Theatralität theatraler Texte ist aufgrund ihrer pragmatischen Signatur unmittelbarer mit der Praxis verbunden als die Theatralität des Theaters, die aufgrund ihrer ästhetisch-künstlerischen Signatur vielmehr enge Verbindungen zur distanzierten Welt der Theorie unterhält.

Ich habe mich in meinen Überlegungen so gut es ging darum bemüht, die theatralen Aspekte des Internet und die ihnen zugrunde liegende semiotische Tiefentheatralisierung unseres Zeichengebrauchs einigermaßen neutral zu beschreiben. Daß in jede vermeintlich bloße Deskription immer auch eine Menge Interpretation eingeht, ist selbstverständlich. Aber angesichts des Sachverhalts, daß die Diskussion um 'Multimedia' nach wie vor zwischen apokalyptischen Schreckensszenarien und euphorischen Heilserwartungen oszilliert, erschien mir eine gewisse normative Zurückhaltung geboten. Aus diesem Grund habe ich die wohlfeile Frage nach den Chancen und Risiken der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien bewußt ausgeklammert. Das bedeutet nicht, daß mir diese Frage nicht am Herzen liegt.29 Es bedeutet nur, daß ich eine wissenschaftliche Phänomenanalyse für eine notwendige Voraussetzung halte, ohne die eine differenzierte Kritik nicht zu leisten ist.


1 Vgl. hierzu die Arbeit von Elizabeth Burns (dies., Theatricality. A Study of Convention in the Theatre and in Social Life, London, Longman, 1972), in der die Autorin ein wahrnehmungstheoretisches Konzept von Theatralität entwickelt, das Theatralität von den begrifflichen Vorgaben abzulösen erlaubt, die mit einer zu engen Ausrichtung am Theaterparadigma verbunden sind. Burns' aisthetische Theatralitätsdefinition lautet: "Theatricality is not therefore a mode of behaviour or expression but attaches to any kind of behaviour perceived and interpreted by others and described (mentally or explicitly) in theatrical terms" (Burns, ebd., S. 13).

2 Joachim Fiebach, Brechts 'Straßenszene'. Versuch über die Reichweite eines Theatermodells, in: Weimarer Beiträge, 1978, Heft 2, S. 123-147, hier S. 127.

3 Erika Fischer-Lichte, Semiotik des Theaters, Bd.1: Das System der theatralischen Zeichen, Tübingen, Narr 31994, S. 15.

4 Fischer-Lichte, ebd.

5 Demgegenüber hat bereits Bertolt Brecht in seiner Radiotheorie mögliche Verflechtungen zwischen Rundfunk und Theater in den Blick genommen und "eine direkte Zusammenarbeit zwischen theatralischen und funkischen Veranstaltungen" (Bertolt Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat [1932], in: ders., Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. VIII, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1967, S. 133) vorgeschlagen. Eine Übersicht über neuere Konzepte einer medientheoretisch erweiterten Theaterwissenschaft gibt Karl Prümm, Lektüre des Audiovisuellen. Film und Fernsehen als Gegenstände einer erweiterten Theaterwissenschaft, in: Theaterwissenschaft heute. Eine Einführung, hrsg. von Renate Möhrmann, Berlin, Reiner Verlag, 1990.

6 Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit [1936], in: ders., Iluminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1977, S. 136-169, hier: S. 143.

7 Benjamin, ebd., S. 162.

8 Bertolt Brecht, Der Rundfunk als Kommunikationsapparat [1932], in: ders., Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. VIII, a.a.O., S. 129. Für eine ausführliche Analyse der medienstrukturellen Spezifika des Internet siehe: Mike Sandbothe, Interaktivität-Hypertextualität-Transversalität. Eine medienphilosophische Analyse des Internet, in: Mythos Internet, hrsg. von Stefan Münker und Alexander Rösler, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1997, S. 56-82.

9 Vgl. hierzu auch die kritischen Bemerkungen, die sich bei Paul Virilio über die "Installierung von Kameras an öffentlichen Orten" (ders., Rasender Stillstand, München, Hanser, 1992, S. 67) finden, sowie seine Befürchtungen bezüglich einer drohenden Omnipräsenz von "versteckten Kameras" (ebd., S. 64) im Haushalt.

10 'IRL' bzw. 'RL' sind die im Internet üblichen Abkürzungen für 'in real life' bzw. 'real life'.

11 Zur Problematisierung dieser Opposition aus historischer Perspektive vgl. Cornelia Epping-Jäger, Die Inszenierung der Schrift. Der Literalisierungsprozeß und die Entstehungsgeschichte des Dramas, Stuttgart, Metzler und Poeschel, 1996.

12 Helmar Schramm, Karneval des Denkens. Theatralität im Spiegel philosophischer Texte des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin, Akademie-Verlag, 1996, S. 258.

13 Vgl. hierzu die Schätzungen, die James Sempsey in seinem Aufsatz Psyber Psychology: A literature review pertaining to the psycho/social aspects of multi-user dimensions in cyberspace veröffentlicht hat (in: Journal of MUD Research, Bd. 2, Nr. 1, Januar 1997, http://journal.tinymush.org/jomr/).

14 Zur Einführung in die virtuellen Rollenspielwelten der MUDs und MOOs sowie für eine wissenschaftliche Analyse ihrer psychosozialen Dimensionen vgl. Sherry Turkle, Life on the Screen. Identity in the Age of the Internet, New York, Simon & Schuster, 1995. Siehe hierzu auch Mike Sandbothe, Cool oder hot? Zur Ambivalenz virtueller Gemeinschaften im Internet. In: Forum Medienethik, Themenheft: Weltbild per Mausklick, Dezember 1996, Stuttgart, Fachstelle für Medienarbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart, S. 20-27.

15 Für die face-to-face-Kommunikation sind die theatralen Rituale von Erving Goffman in seinem Buch Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag (München, Piper, 1983; zuerst engl.: The Presentation of Self in Everyday Life, New York, Doubleday & Company, 1959) bereits in den fünfziger Jahren analysiert worden. In den interaktiven Umwelten des Internet erscheinen sie unter den Bedingungen medialer Entkörperlichung und raum-zeitlicher Entgrenzung in radikalisierter und zugespitzter Form.

16 Eine differenzierte Analyse gegenwärtiger Ästhetisierungsprozesse ist von Wolfgang Welsch vorgelegt worden. Meine Analyse stützt sich insbesondere auf das von Welsch in seinem Aufsatz Ästhetisierungsprozesse - Phänomene, Unterscheidungen, Perspektiven (in: Ders., Grenzgänge der Ästhetik, Stuttgart, Reclam, 1996, S. 9-61) ausgebreitete Tableau.

17 Nelson Goodman, Weisen der Welterzeugung, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1984.

18 Die hier vorgeschlagene Terminologie lehnt sich an die in theaterwissenschaftlichen Kontexten etablierte Rede von theatralen bzw. theatralischen Texten an. Vgl. hierzu Fischer-Lichte, Semiotik des Theaters, Bd. 3: Die Aufführung als Text, Tübingen, Narr 31995, insbes. S. 10-68 sowie Ernest W.B. Hess-Lüttich, Der dramatische und der theatrale Text: Semiotisches Datum und kommunikativer Prozess, in: Das Drama und seine Inszenierung. Vorträge des internationalen literatur- und theatersemiotischen Kolloquiums, Frankfurt am Main, 1983, hrsg. von Erika Fischer-Lichte, Tübingen, Niemeyer, 1985, S. 65-82 und Sophia Totzeva, Das theatrale Potential des dramatischen Textes. Ein Beitrag zur Theorie von Drama und Dramenübersetzung, Tübingen, Narr, 1995, insbes. Kapitel 6, S. 80-95.

19 Mike Sandbothe, Digitale Verflechtungen. Medienphilosophische Untersuchungen zur Zeichentheorie des Internet, in: Computernetze - ein Medium öffentlicher Kommunikation, hrsg. von Klaus Beck und Gerhard Vowe, Berlin, Spiess Verlag, 1997, S. 125-137.

20 Vgl. hierzu Elisabeth Reid, Electropolis: Communication and Community on Internet Relay Chat, in: Intertek, Bd. 3.3, Winter 1992, S. 7-15.

21 Die kanonische Formulierung des Aristoteles lautet: "Es sind also die Laute, zu denen die Stimme gebildet wird, Zeichen der in der Seele hervorgerufenen Vorstellungen, und die Schrift ist wieder ein Zeichen der Laute" (Aristoteles, Lehre vom Satz, Kapitel 1, 16a, in: Ders., Kategorien. Lehre vom Satz (Organon I/II), Hamburg, Meiner, 1974, S. 95.

22 Jacques Derrida, Grammatologie, Frankfurt a.M., Suhrkamp, S. 25 u.ö..

23 Vgl. hierzu auch Murray Krieger, Ekphrasis: The Illusion of the Natural Sign, Baltimore, John Hopkins University Press, 1992.

24 Jay David Bolter, Das Internet in der Geschichte der Technologien des Schreibens, in: Mythos Internet, hrsg. von Stefan Münker und Alexander Rösler, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1997, S. 37-55.

25 Bolter, ebd., S. 54f.

26 Bolter, ebd. S. 55.

27 Zur weiteren Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Formen transtextueller Verflechtung vgl. Gérard Genette, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1993.

28 Die für das Theater charakteristische "Mischung von affektiver Partizipation und reflektierender Distanzierung" hat Dieter Teichert am Beispiel der antiken Tragödie herausgearbeitet. Vgl. hierzu: ders., Praktische Vernunft, Emotion und Dilemma. Philosophie in der Tragödie, in: Philosophie in Literatur, hrsg. von Christiane Schildknecht und Dieter Teichert, Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1996, S. 202-229, hier S. 212.

29 Vgl. hierzu Mike Sandbothe, Der Pfad der Interpretation. Medienethik im Zeitalter des Internet, in: Telepolis. Die Zeitschrift der Netzkultur, Heft 0 (Mannheim: Bollmann 1996) S. 35-48 sowie ders., Interaktive Netze in Schule und Universität - Philosophische und didaktische Aspekte, in: Kursbuch Internet. Anschlüsse an Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kultur, hrsg. von Stefan Bollmann und Christiane Heibach (Mannheim: Bollmann 1996) S. 424-433.

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