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Quelle: http://www.sandbothe.net/186.html

Prof. Dr. Mike Sandbothe


erschienen in: Die Wiederentdeckung der Zeit, hrsg. von Antje Gimmler, Mike Sandbothe und Walther Ch. Zimmerli, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1997. [weitere Informationen]

Mike Sandbothe

Die Verzeitlichung der Zeit in der modernen Philosophie

Das Thema 'Zeit', das Wissenschaft und Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert immer wieder beschäftigte, hat in den letzten beiden Jahrzehnten erneut besondere Bedeutsamkeit und Brisanz erlangt. Die unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche, in denen das Zeitthema gegenwärtig eine neue Konjunktur erlebt, reichen von den Natur-und Kognitionswissenschaften über die Human-, Sozial-, Geschichts-, Literatur-, Medien- und Sprachwissenschaften bis in die Bereiche der Medizin oder der Rechts-, der Ingenieur- und der Wirtschaftswissenschaften hinein.1 Der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Zeitproblem kommt in dieser Situation, die durch eine Pluralität heterogener Zeitkonzepte charakterisiert ist, besondere Bedeutung zu.2 Im Zentrum der aktuellen Zeitphilosophie steht der Versuch, die unterschiedlichen Zeitkonzepte, die sich in den einzelnen wissenschaftlichen Fachdisziplinen entwickeln, zueinander in Beziehung zu setzen. Die folgenden Überlegungen möchten zu diesem Vorhaben einen grundlagentheoretischen Beitrag leisten. Im ersten Teil präpariere ich zu diesem Zweck drei Grundtendenzen heraus, die unterschiedliche Lösungsstrategien für die markierte Aufgabe einer disziplinenübergreifenden Relationierung differenter Zeitkonzepte repräsentieren. Im zweiten Teil versuche ich, eine dieser drei Tendenzen, die mir für die Lösung der anstehenden Probleme als besonders tragfähig erscheint, im Rückgang auf Kant und Heidegger philosophiehistorisch zu verankern und argumentativ zu plausibilisieren.

1) Die drei Grundtendenzen der aktuellen Zeitphilosophie

Die erste Grundtendenz der modernen Zeitphilosophie läßt sich als Tendenz zur Vereinheitlichung unseres Zeitverständnisses beschreiben. Die Protagonisten der Vereinheitlichungstendenz sind davon überzeugt, daß der Zeitaspekt als ein neuer archimedischer Punkt zu gelten hat, der unsere alltägliche Selbst- und Welterfahrung mit den wissenschaftlichen Theorien, die wir uns von Mensch und Natur machen, vereinigt. Dieser Einheitspunkt, so die weitere Argumentation, sei zwar in der Philosophie (etwa bei von Baader, Schelling, Bergson oder Whitehead) immer wieder herausgestellt, von Naturwissenschaft und Technik aber allzu lange ignoriert worden. Erst in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts sei im Rahmen der sogenannten "Selbstorganisationstheorien"3 im Schnittbereich von Physik, Chemie und Biologie ein globales Zeitkonzept entwickelt und mathematisch operationalisiert worden, das die Überwindung der alten Dualität von Naturzeit und Geschichtszeit ermögliche. Damit zeichne sich die Aufhebung des Konflikts zwischen physikalischem und philosophischem Zeitdenken ab, der für die Zeitphilosophie des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts charakteristisch war. In diesem Sinn stellt etwa Hermann Lübbe aus philosophischer Perspektive heraus, "daß sogar für die Temporalstruktur der Geschichtlichkeit, die nach Heidegger und nach der ihm folgenden hermeneutischen Theorie sich exklusiv aus dem sinnkonstituierenden Selbstverhältnis von Subjekten ergibt, gilt, daß sie in Wahrheit eine sachbereichsindifferente Struktur aller offenen und dynamischen Systeme ist."4

Lübbes Konvergenzthese kann sich auf Überlegungen eines der Begründer der selbstorganisationstheoretischen Zeitforschung stützen. Der Chemophysiker und Nobelpreisträger Ilya Prigogine notierte bereits 1973 mit Blick auf die von ihm entwickelte Theorie irreversibler Prozesse: "Whatever the future of these ideas, it seems to me that the dialogue between physics and natural philosophy can begin on a new basis. I don't think that I exaggerate by stating that the problem of time marks specifically the divorce between physics on one side, psychology and epistemology on the other. (...). We see that physics is starting to overcome these barriers."5 Und im 1984 geschriebenen Schlußkapitel seines Buchs Vom Sein zum Werden führt Prigogine aus: "Es ist bemerkenswert zu erkennen, wie weit einige neuere Ergebnisse [der Naturwissenschaft - M.S.] von Philosophen wie Bergson, Whitehead und Heidegger vorweggenommen worden sind, wobei der Hauptunterschied darin besteht, daß sie nur im Gegensatz zur Naturwissenschaft zu solchen Folgerungen gelangen konnten, während wir jetzt beobachten, daß diese Einsichten sozusagen aus der naturwissenschaftlichen Forschung heraus erwachsen".6

Die im Zentrum der Vereinheitlichungstendenz stehende Konvergenzthese findet in der philosophischen Zeitdebatte der Gegenwart keinesfalls ungeteilte Zustimmung. So setzt ihr der französische Phänomenologe Paul Ricoeur seine Diagnose einer unhintergehbaren Inkommensurabilität von Geschichtszeit und Naturzeit entgegen. Ricoeurs Ansatz verdeutlicht die zweite Grundtendenz, durch welche die aktuelle Zeitphilosophie bestimmt ist: die Tendenz zur Aufspaltung der Zeit in eine nicht miteinander vermittelbare Vielfalt heterogener Zeitkonzepte. Als Vertreter dieser Pluralisierungstendenz hält Ricoeur den "epistemologischen Bruch zwischen der phänomenologischen Zeit einerseits, der astronomischen, physikalischen und biologischen Zeit andererseits"7 für unüberwindbar. Auf dem Hintergrund der grundlegenden Diskontinuität, die "zwischen einer Zeit ohne Gegenwart [der Naturzeit - M.S.]8 und einer Zeit mit Gegenwart [der Geschichtszeit - M.S.]" bestehe, beschreibt Ricoeur die vermeintliche Kohärenz der beiden heterogenen Zeitverständnisse als "eine Art [...] Kontamination", durch die "der Geschichtsbegriff extrapolierend von der menschlichen Sphäre auf die Natursphäre übertragen [wurde]."9

Aus der Perspektive Ricoeurs haben "die gegenseitigen Gebietsansprüche der Begriffe 'Veränderung' (oder 'Evolution') und 'Geschichte'"10 kein Fundament in der Sache und sind daher "abzulehnen."11 Denn, so Ricoeurs Begründung, "welche Interferenzen es auch immer zwischen einer Zeit mit Gegenwart und einer Zeit ohne Gegenwart geben mag, sie setzen eine prinzipielle Unterscheidung voraus, nämlich die zwischen einem beliebigen Jetzt und einer Gegenwart, die von der Redeinstanz näher bestimmt wird, die sie reflexiv bezeichnet."12 Auf diesem Hintergrund stellt Ricoeur heraus, daß es ihm "unmöglich erscheint [...], die phänomenologische Zeit völlig in der Zeit der Natur aufgehen zu lassen, mag es sich dabei um die Zeit der Quantenmechanik oder die der Thermodynamik handeln, um die Zeit galaktischer Umwälzungen oder um die der Evolution der Arten."13 Das in Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart dimensionierte Zeitgefüge der phänomenologischen Zeit erschließt sich Ricoeur zufolge allein im Medium der Erzählung; und selbst in der erzählerischen "Refiguration"14 wird Zeit nur bis zu einem gewissen Grade verstehbar. Zuletzt markiert die Zeit für Ricoeur das "Mysterium"15 unseres Denkens, das sich der Repräsentation verweigert, indem es unser Dasein auf eine für das Denken uneinholbare Weise umgreift. Dieser negativistische Grundzug von Ricoeurs Zeittheorie findet sich in anderer Form auch im zeitphilosophischen Denken von Emmanuel Levinas16 und Michael Theunissen.17

Die dritte Grundtendenz der aktuellen Zeitphilosophie bekommt man am besten in den Blick, wenn man sich die gemeinsame Grundvoraussetzung bewußt macht, die die These von der inneren Konvergenz und die Gegenthese von der uneinholbaren Divergenz von Naturzeit und Geschichtszeit miteinander verbindet. Zeit wird in beiden Fällen als universale Grundstruktur begriffen, die sich der historischen Kontingenz und dem kulturellen Wandel entzieht. So halten die Vertreter der Vereinheitlichungstendenz die "ontologische Universalität des Temporalitätsaspekts"18 durch die Einheit der am Leitfaden der Geschichtszeit reinterpretierten Naturzeit für bewiesen. Obwohl ganz anders argumentierend kommen die zeittheoretischen Inkommensurabilitätsverfechter zu einem ähnlichen Resultat. Die Pluralität der Zeiten verweist ihrer Ansicht zufolge auf eine negative Einheit der Zeit, die sich der Darstellung zwar aus prinzipiellen Gründen entzieht, in der Erfahrung ihrer Undarstellbarkeit zugleich aber als evidentes Faktum aufscheint. So sieht Ricoeur die narrative "Totalisierung"19 der geschichtlichen Zeit und den sich damit verbindenden "Universalitätsanspruch der metahistorischen Kategorien des historischen Denkens"20 durch die essentielle Uneinholbarkeit der phänomenologischen "Fundamentalschicht"21 unserer Zeiterfahrung bestätigt.

Hinsichtlich des zeittheoretischen Universalismus, der den ersten beiden Tendenzen gemeinsam ist, weicht die dritte zeitphilosophische Grundtendenz, die in der aktuellen Zeitdebatte eine zentrale Rolle spielt, von den zuvor behandelten ab. Die Verfechter der dritten Grundtendenz, bei der es sich um eine Tendenz zur Historisierung und Relativierung der Zeit handelt, gehen von dem Grundgedanken aus, daß die Rolle, welche die Zeit für das menschliche Selbst- und Weltverständnis spielt, Aspekt eines kulturell divergierenden und sich innerhalb einer Kultur geschichtlich wandelnden Netzes von praktischen Weisen des Weltumgangs ist. Ohne die daraus folgenden zeitphilosophischen Konsequenzen systematisch auszuarbeiten, wird dieser Ansatz von dem amerikanischen Pragmatisten Richard Rorty vertreten.22 Rorty zufolge muß ein radikal zeitliches Denken Schluß machen mit der theologisch grundierten Vorstellung, daß sich im Menschen Zeit und Ewigkeit vereinen. Statt dessen fordert Rorty, "daß wir versuchen sollten, an den Punkt zu kommen, wo wir nichts mehr verehren, nichts mehr wie eine Quasi-Gottheit behandeln, wo wir alles, unsere Sprache, unser Bewußtsein, unsere Gemeinschaft, als Produkte von Zeit und Zufall behandeln."23 Das gelingt uns Rorty zufolge nur dann, wenn wir auch 'die' Zeit nicht länger mystifizieren, sondern die konkreten Zeitverhältnisse, die unser Leben in unterschiedlichen Bereichen auf je unterschiedliche Weise bestimmen, radikal reflexiv als Kinder des Zufalls verstehen.24

Das Problem der Relationierung der Zeitkonzepte, die gegenwärtig in den Wissenschaften zur Diskussion stehen, sowie die Frage nach dem Verhältnis zwischen den wissenschaftlichen Zeitkonzepten und unserem alltäglichen Zeitverständnis, sind auf dem Hintergrund der von Rorty vertretenen Relativierungs- und Historisierungstendenz pragmatisch zu behandeln. Die Konvergenz zwischen unterschiedlichen Zeitvokabularen, die von den Vertretern der Vereinheitlichungstendenz herausgestellt wird, beweist aus Rortys Perspektive keinesfalls eine intrinsische Koinzidenz zwischen Natur- und Geschichtszeit. Die mathematische Operationalisierung und erfolgreiche Übertragung desjenigen geschichtlichen Zeitvokabulars, das uns bisher zu Zwecken der Selbstbeschreibung gedient hat, auf den Bereich der Natur verweist nur auf die historische Wandlungsfähigkeit, innere Flexibilität und kontextuelle Rückgebundenheit auch so ausgefeilter Vokabulare wie desjenigen der Physik oder Mathematik.25 Die verschiedenen Zeitvokabulare, derer wir uns zu unterschiedlichen Zwecken und in unterschiedlichen Kontexten bedienen, sind demnach weder in einem intrinsischen Sinn als konvergierend noch in einem phänomenologischen Sinn als essentiell inkommensurabel aufzufassen. Sie unterliegen vielmehr ihrerseits einem zeitlichen Wandel, durch den sie in unterschiedlichen historischen Situationen jeweils auf variierende Weise zueinander in Beziehung gesetzt und voneinander geschieden werden.

Die in diesen Überlegungen zum Ausdruck kommende reflexive Verzeitlichung der Zeit hat auf literarische Weise bereits Robert Musil umrissen. In seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften schreibt er: "Der Zug der Zeit ist ein Zug, der seine Schienen vor sich herrollt, der Fluß der Zeit ist ein Fluß, der seine Ufer mitführt. Der Mitreisende bewegt sich zwischen festen Wänden und festem Boden, aber Boden und Wände werden von den Bewegungen der Reisenden unmerklich auf das Lebhafteste mitbewegt."26 Innerhalb der Philosophie ist die radikale Reflexivität des modernen Zeitverständnisses, die Musil hier artikuliert, auf jeweils unterschiedliche Weise von Kant und von Heidegger fundiert worden. Mit dieser doppelten Grundlegung, in deren Zentrum der Widerstreit zwischen Universalität und Relativität unseres Zeitverständnisses steht, befaßt sich der zweite Teil meiner Überlegungen.

2) Die reflexive Verzeitlichung der Zeit bei Kant und Heidegger

Als Magna Charta der modernen Zeitphilosophie darf die von Kant in der Transzendentalen Ästhetik der Kritik der reinen Vernunft vorgelegte transzendentalphilosophische Zeittheorie gelten. In ihr hat Kant die Zeit reflexiv, d.h. im Rekurs auf die Grundverfassung menschlicher Subjektivität als "reine Form der sinnlichen Anschauung"27 bestimmt. Es gibt kaum eine philosophische Theorie, die so häufig mißverstanden worden ist, wie Kants Bestimmung der Zeit als reine Form der sinnlichen Anschauung. Das Standardmißverständnis lautet, Kant habe mit seiner Theorie die Realität der Zeit widerlegt und sie zu einer bloß subjektiven Illusion herabgestuft. Dieses Mißverständnis ist nicht nur bei Philosophen, sondern auch und vor allem bei Naturwissenschaftlern weit verbreitet.

Als signifikantes Beispiel für die Beharrlichkeit, mit der sich das Mißverständnis innerhalb der Philosophie etabliert hat, sei hier der britische Philosoph und Begründer der sprachanalytischen Zeitphilosophie John M.E. McTaggart zitiert. In seinem berühmten Aufsatz Die Irrealität der Zeit schreibt er: "In der Philosophie wiederum wird die Zeit von Spinoza, Kant, von Hegel und von Schopenhauer als irreal behandelt."28 Naturwissenschaftler wie Albert Einstein oder Kurt Gödel sind diesem Vorurteil gefolgt. So schreibt Gödel, dessen Ansicht zufolge die Zeit durch die von Einstein bewiesene "Relativität der Gleichzeitigkeit"29 ihren "objektiven Sinn"30verloren hat: "Es scheint, kurz gesagt, daß man einen eindeutigen Beweis für die Ansicht jener Philosophen erhält, die, wie Parmenides, Kant und die modernen Idealisten, die Objektivität des Wechsels leugnen und diesen als eine Illusion oder als eine Erscheinung betrachten, die wir unserer besonderen Art der Wahrnehmung verdanken."31 Ähnlich wie Gödel die Arbeiten Einsteins als physikalischen Beleg für die von Kant vermeintlich formulierte Ansicht von der Irrealität der Zeit preist, preist McTaggart seine eigenen Arbeiten als sprachanalytische Variante des von Kant vermeintlich geforderten Irrealitätsbeweises der Zeit. In diesem Sinn schreibt McTaggart: "Ich glaube, daß die Zeit irreal ist. Aber ich tue dies aus Gründen, die, wie ich meine, von keinem der von mir erwähnten Philosophen verwendet werden."32

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, McTaggarts Beweis näher zu entfalten.33 Zusammenfassend aber läßt sich sagen, daß, was McTaggart beweist, nichts anderes ist als das, was Kant selbst längst gezeigt hatte: nämlich nicht - wie McTaggart glaubte - die pauschale Irrealität der Zeit, sondern der Sachverhalt, daß die Zeit keine subjektunabhängige Realität hat. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wenn der Zeit keine subjektunabhängige Realität zukommt, heißt das, daß ihr nur eine bestimmte Art von Realität - und nicht Realität schlechthin - abgeht. Es heißt also nicht, daß sie in einem pauschalen Sinn irreal und eine bloße Illusion ist. Mehr noch: Keine subjektunabhängige Realität zu haben, ist keinesfalls ein Defizit, das den Seinsstatus der Zeit gegenüber dem Sein anderer Dinge herabsetzt. Denn - und das hat Michael Dummett in den sechziger Jahren in seinem Aufsatz McTaggarts Beweis für die Irrealität der Zeit. Eine Verteidigung herausgestellt34 - die Vorstellung von einer subjektunabhängigen, vollständig beschreibbaren Realität ist selbst eine Fiktion. Eine Fiktion, die voraussetzt, daß wir einen Zugang zur Welt hätten, durch den wir losgelöst von unseren endlichen Erkenntnisbedingungen im Sinne einer reinen, quasi-göttlichen Wesensschau mit dem Inneren des Seins verbunden wären. Es ist diese Fiktion, mit der Kant Schluß gemacht hat.

Anders als McTaggart und Gödel in den herangezogenen Zitaten mutmaßen, ist es dabei keinesfalls das Ziel Kants gewesen, die Objektivität der Zeit in dem Sinn in Frage zu stellen, daß die Zeit zu einer 'Illusion' und 'bloßen Erscheinung' nivelliert wird. Die kantische Rückbindung der sowohl von Newton als auch von Leibniz in der scholastischen Tradition als subjektunabhängige Weltstruktur begriffenen Zeit an das transzendentale Subjekt versucht vielmehr gerade umgekehrt die Objektivität der Zeit unter Berücksichtung der von Hume gegenüber der Leibniz-Newtonschen Tradition zu Recht angemeldeten Zweifel auf neue, eben transzendentalphilosophische Weise zu begründen. Die Pointe von Kants Gedankengang liegt darin, daß die Zeit dann und nur dann unhintergehbar und a priori - d.h. für ihn: allgemeingültig und notwendig - sein kann, wenn sie sich als intersubjektiv verbindliche Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt erweisen läßt.

Als Fundament aller menschlichen Erkenntnis aber stellt Kant - und zwar im Gegenzug gegen das bis zu Leibniz und Newton herrschende platonische Erkenntniskonzept der Tradition, demzufolge allein das Intelligible wahrhafter Gegenstand von Erkenntnis sein kann - die sinnliche Anschauung heraus. Der erste Satz der Kritik der reinen Vernunft enthält zugleich deren Grundthese. Er lautet: "Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände beziehen mag, es ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die Anschauung."35 Es ist diese Grundthese vom Primat der Anschauung als Grundbedingung der Möglichkeit aller menschlichen Erkenntnis, die man berücksichtigen muß, um zu verstehen, inwiefern der von Kant geführte Nachweis, daß es sich bei der Zeit um die "reine Form der sinnlichen Anschauung"36 handelt, zugleich deren Objektivität und Universalität sichert.

Kants schlichte, von Gödel und den meisten anderen Physikern, die sich mit Kants Zeittheorie auseinandergesetzt haben, nicht berücksichtigte These lautet: Alle Erkenntnis, die uns Menschen - und d.h. auch: uns Menschen, sofern wir Wissenschaft (z.B. Physik) treiben - zugänglich ist, ist sinnliche, d.h. zeitliche Erkenntnis. Kant versucht also die Objektivität und Universalität der Zeit gerade durch deren transzendentale Subjektivierung zu sichern. Diesen Zusammenhang bringt die folgende, vielzitierte Stelle aus der Transzendentalen Ästhetik zum Ausdruck. Zunächst sieht es so aus, als wolle Kant der Zeit tatsächlich alle Realität nehmen. Er schreibt: "Die Zeit ist also lediglich eine subjektive Bedingung unserer (menschlichen) Anschauung, (welche jederzeit sinnlich ist, d.i. sofern wir von Gegenständen affiziert werden,) und an sich, außer dem Subjekte, nichts."37 Aber das Entscheidende folgt im nächsten Satz, der meist nicht mitzitiert wird. Er lautet: "Nichtsdestoweniger ist sie in Ansehung aller Erscheinungen, mithin auch aller Dinge, die uns in der Erfahrung vorkommen können, notwendigerweise objektiv."38 In diesem Sinn spricht Kant dann auch von der "empirischen Realität" der Zeit, d.h. ihrer "objektive[n] Gültigkeit in Ansehung aller Gegenstände, die jemals unseren Sinnen gegeben werden mögen."39

Neben dem Irrealitätsmißverständnis ist die Rezeption der kantischen Zeittheorie durch ein zweites folgenreiches Defizit gekennzeichnet. Bei diesem Defizit handelt es sich weniger um ein Mißverständnis im strengen Sinn, als vielmehr um ein Nicht-Verständnis, d.h. eine Blickverengung in der Rezeption. Durch die bereits bei Schopenhauer40 und Hegel41 vorgeprägte Gleichsetzung der kantischen Zeittheorie mit der Zeittheorie der Transzendentalen Ästhetik wurden entscheidende Aspekte von Kants Zeitdenken immer wieder ausgeblendet. Diesen Sachverhalt hat Klaus Düsing in seinen Untersuchungen zu Kants Zeittheorie und zu ihrer modernen kritischen Rezeption42 im Rückgriff auf Einsichten, die sich aus Heideggers Buch Kant und das Problem der Metaphysik (1929) ergeben, herausgearbeitet. So betont Düsing zu Beginn seiner Untersuchungen: "Kants Theorie der Zeit ist freilich nur ganz unvollständig in der 'transzendentalen Ästhetik' der Kritik der reinen Vernunft enthalten; wesentliche Ausführungen dieser Theorie finden sich in den folgenden Abschnitten (...)."43 Ähnlich heißt es bereits in §10 von Heideggers Kantbuch: "Die folgende Interpretation zeigt, wie die Zeit durch die einzelnen Stadien der Grundlegung der Metaphysik hindurch mehr und mehr in den Mittelpunkt rückt und erst hierdurch ihr eigenes Wesen ursprünglicher enthüllt, als das die vorläufige Kennzeichnung in der transzendentalen Ästhetik vermag."44

Die Ausblendung der über die Transzendentale Ästhetik hinausweisenden Aspekte von Kants Zeittheorie gründet in einer tieferliegenden, von Düsing nicht mehr thematisierten Blickverengung. Diese Verengung besteht darin, daß der Sachverhalt, daß Kant die von ihm geleistete transzendentale Universalisierung der Zeit selbst explizit relativiert hat, nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Während die Rückbindung der kantischen Subjektivierung der Zeit auf das endlich-intentionale Subjekt (Husserl) bzw. das lebendige Ich der reinen, strömenden Dauer (Bergson) zugleich - gegen Gödel - an der Universalität der Zeit als einer die Subjektivität des Subjekts selbst konstituierenden Dimension festhält, hat Kant bereits die von ihm selbst zunächst vorausgesetzte Universalität der Zeit in Frage gestellt. Er hat damit ein Diskussionsfeld eröffnet, das von Heidegger weiter abgesteckt worden ist und den philosophiehistorischen Rahmen für die aktuelle Tendenz zur Historisierung und Relativierung der Zeit darstellt.

Kants Relativierung der in der Transzendentalen Ästhetik vollzogenen Universalisierung der Zeit findet sich nicht in der Transzendentalen Ästhetik, sondern wird von ihm mehr beiherspielend im Rahmen der Transzendentalen Logik entwickelt. Zentral ist dabei die Unterscheidung, die Kant in einer Anmerkung zur Transzendentalen Deduktion der B-Auflage zwischen der Zeit als "Form der Anschauung"45 und als "formaler Anschauung"46 macht. Eingeführt wird die Unterscheidung der Sache nach bereits im Haupttext, auf den sich die Anmerkung bezieht. Der Haupttext lautet: "Wir haben Formen der äußeren sowohl als inneren sinnlichen Anschauung a priori an den Vorstellungen von Raum und Zeit, und diesen muß die Synthesis der Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung jederzeit gemäß sein, weil sie selbst nur nach dieser Form geschehen kann. Aber Raum und Zeit sind nicht bloß Formen der sinnlichen Anschauung, sondern als Anschauungen selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten) also mit der Bestimmung der Einheit dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt (siehe transz. Ästhet.)."47 Gegenstand der Transzendentalen Ästhetik ist Kants eigenem Selbstverständnis nach also nicht die Form der Anschauung als solche, sondern ein quasi-gegenständliches Konstrukt: Zeit als formale Anschauung.

Das wird in Kants Anmerkung zunächst bezüglich des Raumes explizit: "Der Raum als Gegenstand vorgestellt, (wie man es wirklich in der Geometrie bedarf,) enthält mehr, als bloß Form der Anschauung, nämlich Zusammenfassung des Mannigfaltigen, nach der Form der Sinnlichkeit gegebenen, in eine anschauliche Vorstellung, so daß die Form der Anschauung bloß Mannigfaltiges, die formale Anschauung aber Einheit der Vorstellung gibt."48 Und mit Blick auf Raum und Zeit heißt es weiter in der Anmerkung: "Diese Einheit hatte ich in der Ästhetik bloß zur Sinnlichkeit gezählt, um nur zu bemerken, daß sie vor allem Begriffe vorhergehe, ob sie zwar eine Synthesis, die nicht den Sinnen angehört, durch welche aber alle Begriffe von Raum und Zeit zuerst möglich werden, voraussetzt. Denn da durch sie (indem der Verstand die Sinnlichkeit bestimmt) der Raum oder die Zeit als Anschaungen zuerst gegeben werden, so gehört die Einheit dieser Anschauung a priori zum Raume und der Zeit, und nicht zum Begriffe des Verstandes."49Die in der Transzendentalen Ästhetik als Einheit vorgestellte Zeit, die in der "transzendentale[n] Erörterung des Zeitbegriffs"50 zugleich als Fundament für die "allgemeine Bewegungslehre"51 dient, ist selbst bereits eine vergegenständlichte, also begriffliche bzw. kategoriale Synthesen voraussetzende Vorstellung von Zeit. Es ist dieses einheitlich-linerare Zeitkonzept, das sich "durch Analogien"52 am Leitfaden einer "ins unendliche fortgehende[n] Linie"53 beschreiben läßt und von Kant universalisiert und in seiner "empirische[n] Realität"54 - nicht zuletzt im Blick auf die Physik Newtons - erkenntnistheoretisch legitimiert worden ist.

Zugleich aber entzieht sich der hinter dem Rücken des vergegenständlichten Zeitkonzepts aufscheinende zweite 'Begriff' von Zeit der transzendentalphilosophischen Explikation. Denn die Zeit als Form der Anschauung im strengen Sinn bildet den von Kant in der Kritik der reinen Vernunft nicht mehr ausgeleuchteten Horizont, innerhalb dessen die Zeit als formale Anschauung ihrerseits erst thematisiert werden kann.55 Die Universalität des objektiven Zeitbegriffs der Transzendentalen Ästhetik wird durch die nicht ihrerseits noch einmal transzendentalphilosophisch einholbare Dimension dieses Horizonts dezentriert und damit zugleich methodisch relativiert. In diesem Sinn stellt Heidegger in dem bereits erwähnten §9 seiner Phänonomenologische[n] Interpretation von Kants Kritik der reinen Vernunft heraus, daß aus der Perspektive Kants "die formale Anschauung nicht eine ursprüngliche, sondern eine abgeleitete Vorstellung ist."56 Damit ist zugleich das Feld markiert, auf dem sich Heideggers eigene Zeittheorie bewegt.

Heidegger hat seine Zeitlichkeitsanalyse im zweiten Abschnitt des ersten Teils von Sein und Zeit (1927) entfaltet. Im Blick auf Heideggers frühes, fragmentarisch gebliebenes Hauptwerk muß man zweierlei unterscheiden: das nicht realisierte, sondern nur angedeutete Gesamtunternehmen der Fundamentalontologie und die faktisch durchgeführte Daseinsanalyse. Im folgenden konzentriere ich mich auf die im zweiten Abschnitt von Sein und Zeit, der den Titel Dasein und Zeitlickeit trägt, entwickelte Zeitlichkeitsanalyse. Die fundamentalontologische Gesamtperspektive des Werks wird nur insoweit herangezogen, als sie sich unmittelbar auf die Zeitlichkeitsanalyse auswirkt.

Anders als Husserl und Bergson, die ihre Zeittheorien nicht direkt zu Kant ins Verhältnis gesetzt haben, entwickelt sich das Denken des frühen Heidegger in direkter Auseinandersetzung mit Kant. Das kommt sowohl in der im Erscheinungsjahr von Sein und Zeit gehaltenen Vorlesung Phänomenologische Interpretation von Kants Kritik der reinen Vernunft und in dem 1929 publizierten Buch Kant und das Problem der Metaphysik als auch in den Kantpassagen, die sich in Sein und Zeit selbst finden, deutlich zum Ausdruck. Heideggers direkte Auseinandersetzung mit Kant führt ihn dazu, die theoretische Zugangsart zum Zeitproblem, die bereits die Kritik der reinen Vernunft bestimmt und von Bergson und Husserl beibehalten wurde, zu durchbrechen. Die bei Kant offen gebliebene Frage nach der Zeit als reiner Form der sinnlichen Anschauung, die von Bergson und Husserl in die Frage nach der inneren Zeitlichkeit der Subjektivität umformuliert worden war, wird bei Heidegger zur Frage nach der genuin praktischen Weise des zeitlichen Selbstentwurfs menschlicher Existenz.

'Dasein' ist Heideggers Begriff für das, was bei Kant 'Subjekt' oder 'Ich denke' heißt. Heidegger ist der Ansicht, daß Kant das transzendentale Subjekt, indem er es als 'Ich denke' ansetzte, auf den Aspekt der theoretischen Erkenntnis reduziert habe. Der Mensch ist Heidegger zufolge nicht in erster Linie ein auf die Erkenntnis des Vorhandenen abzielendes Wesen. Er ist vielmehr als Dasein ein Wesen, das je schon in sein 'Da' geworfen ist, das also nicht erst künstlich und nachträglich beginnt, eine Erkenntnisrelation zur Außenwelt herzustellen, sondern sich immer schon in einem praktischen Verhältnis zu seiner konkreten Umwelt - zum "Zuhandenen"57 - vorfindet.58 In diesem Sinn stellt Heidegger gegen Kant heraus: "Das Ich ist nicht nur 'Ich denke' sondern 'Ich denke etwas'."59 Und er expliziert: "Kant vermied zwar die Abschnürung des Ich vom Denken, ohne jedoch das 'Ich denke' selbst in seinem vollen Wesensbestande als 'Ich denke etwas' anzusetzen und vor allem ohne die ontologische 'Voraussetzung' für das 'Ich denke etwas' als Grundbestimmtheit des Selbst zu sehen." Diese Voraussetzung ist das In-der-Welt-sein des Daseins. Da Kant jedoch "das Phänomen der Welt nicht [sah]"60, mußte ihm die Grundeinsicht Heideggers verstellt bleiben: "Im Ich-sagen spricht sich das Dasein als In-der-Welt-sein aus."61

Ähnlich wie Kant fragt zwar auch Heidegger nach den Bedingungen der Möglichkeit. Ihm aber geht es nicht abstrakt um die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis, sondern konkret um die Bedingungen der Möglichkeit unseres In-der-Welt-seins. Als Fundierungsdimension, die der Sorgestruktur des Daseins, die er im ersten Abschnitt von Sein und Zeit herausarbeitet, zugrundeliegt, legt Heidegger im zweiten Abschnitt die existenziale Grundstruktur der "Zeitlichkeit"62 frei.63 Im Rückgriff auf Kierkegaard beschreibt er die "Doppelbewegung"63, in der sich das Dasein in sein 'Da' bringt, also für sich selbst und die Welt öffnet, als ein in sich gedoppeltes temporales Geschehen. Die erste Teilbewegung dieses Geschehens besteht im Vorlaufen in die Zukunft. Die zweite Teilbewegung im Zurückkommen auf die Gegenwart als einer von der Vergangenheit bzw. - wie Heidegger sagt - der "Gewesenheit"64 her bestimmten Offenheit für die begegnende Welt. Zusammenfassend schreibt Heidegger: "Zukünftig auf sich zurückkommend, bringt sich die Entschlossenheit gegenwärtigend in die Situation. Die Gewesenheit entspringt der Zukunft, so zwar, daß die gewesene (besser gewesende) Zukunft die Gegenwart aus sich entläßt. Dies dergestalt als gewesend-gegenwärtigende Zukunft einheitliche Phänomen nennen wir die Zeitlichkeit."65

Dabei handelt es sich auf der existenzialen Ebene der Bedingungen der Möglichkeit nicht um die konkrete, durch bestimmte inhaltliche Ziele bestimmte Zukunft, sondern um die Zukunft schlechthin, von der es heißt: "'Zukunft' meint hier nicht ein Jetzt, das, noch nicht 'wirklich' geworden, einmal erst sein wird, sondern die Kunft, in der das Dasein in seinem eigensten Seinkönnen auf sich zukommt."66 Heideggers Bezeichnung dieser ekstatischen Grundstruktur des Daseins als "Transzendenz"67 hat dazu Anlaß gegeben, hier theologische Implikationen einzulesen. Heidegger hat sich gegen solche Lektüren von früh an gewehrt. Bereits in seinem frühen Vortrag Der Begriff der Zeit, in dem er 1924 vor der Marburger Theologenschaft erstmals die Grundgedanken der Zeitlichkeitsanalyse formuliert hat, stellt er ganz im Sinne Kants heraus: "Der Philosoph glaubt nicht. Fragt der Philosoph nach der Zeit, dann ist er entschlossen, die Zeit aus der Zeit zu verstehen."68 Die Zeit aus der Zeit verstehen, heißt, die Zeit zeitlich zu denken, also einer Verzeitlichung der Zeit das Wort zu reden. Das ist das durch und durch säkulare Programm von Heidegger und auf diesem Hintergrund muß man auch seine Bestimmung der "Zukunft" als der "Kunft, in der das Dasein in seinem eigensten Seinkönnen auf sich zukommt"69, verstehen.

Anders als Kierkegaard, für den die Doppelbewegung menschlicher Existenz nur dann nicht in die Verzweifelung führt, wenn sie im Bewußtsein des Glaubens an Gott vollzogen wird, hält Heidegger einen gelingenden temporalen Selbstvollzug ohne Bezug auf eine göttliche Transzendenz für möglich. Auch Heidegger beschreibt zwar - wie es bereits Kierkegaard in der Rede An einem Grabe70 getan hatte - das Vorlaufen in die eigene Zukunft als "Sein zum Tode"71, aber er meint, daß dieses Vorlaufen in diese "Möglichkeit der maßlosen Unmöglichkeit der Existenz"72, die der Tod darstellt, eine Art 'eigentlichen' Existierens erlaubt. Eine Art des Existierens, für das die Erfahrung radikaler Endlichkeit nicht Anlaß gibt zu kierkegaardscher Verzweifelung, sondern vielmehr erst den Horizont der vielfältigen Möglichkeiten eröffnet und zur Gestaltung freigibt, innerhalb dessen unser alltägliches Dasein je schon organisiert ist, ohne daß sein wesentlicher Möglichkeitscharakter bewußt würde. Dieser radikale Ausblick auf 'Zu-kunft' im Sinn des Vorlaufens in den eigenen Tod als "eigenster, unbezüglicher, unüberholbarer und gewisser Möglichkeit"73 faßt Heidegger darum auch als "Entschlossenheit" des Selbst zu sich selbst: als eigentliches "Selbstseinkönnen".74

Dieser ausgezeichneten Grundgestalt menschlicher Zeitlichkeit setzt Heidegger als Negativbild das von ihm sogenannte "alltäglich-vulgäre Zeitverständnis"75 entgegen. Er versucht zu zeigen, wie die vulgäre Zeitauffassung als Derivat aus der ursprünglichen Zeitlichkeit des menschlichen Daseins entspringt. Anders formuliert: Heideggers Ziel ist es, zu zeigen, wie und warum die vergegenständlichte Zeit, die wir an unseren Uhren und Kalendern ablesen und die uns wie eine subjektunabhängige Realität entgegentritt, aus der zeitlichen Prozessualität unserer Selbstkonstitution, also aus der eigentlichen Zeitlichkeit der Doppelbewegung menschlicher Existenz hervorgeht. Heideggers Vorstellung ist die, daß wir uns in der eigentlichen Zeitlichkeit als dem entschlossenen Vorlaufen in den Tod immer nur vorübergehend, d.h. in ausgezeichneten Augenblicken unseres Daseins, halten können. Im Regel- und Normalfall laufen wir in eine Zukunft vor, die wir durch unsere konkreten Bedürfnisse und Pläne inhaltlich bestimmen und aus der wir den Letzthorizont des Todes gerade ausklammern. Diese reduzierte, alltagspraktisch übliche und bequemere Form der Doppelbewegung nennt Heidegger die "uneigentliche Zeitlichkeit"76.

Die uneigentliche Zeitlichkeit unterscheidet sich noch einmal von dem, was Heidegger das "vulgäre Zeitverständnis"77 nennt. Während in der uneigentlichen, alltäglich-praktischen Zeitigungsform noch ein "Widerschein der ekstatischen Verfassung der Zeitlichkeit"78 zu spüren bleibt, ist im vulgären Zeitbegriff die zeitliche Herkunft der Zeit aus der Zeitlichkeit menschlichen Daseins ganz ausgeblendet. Heidegger macht diesen Unterschied an unserem Umgang mit der Uhr deutlich. Und zwar an einem Paradox, an dem alle Zeitmanager und Zeitökonomen bisher gescheitert sind. Dieses Paradox besteht darin, daß "gerade das Dasein, das mit der Zeit rechnet, mit der Uhr in der Hand lebt, [ständig sagt]: ich habe keine Zeit."79 Woran liegt das, daß gerade der größte Zeitstratege zugleich unter dem größten Zeitstress zu leiden hat? Heideggers Antwort lautet: Weil dem methodischen Zeitstrategen die Zeit zu einer reinen Jetztfolge von austauschbaren Sekunden, Minuten, Tagen, Wochen, Monaten und Jahren geronnen ist, zu einer gegenständlich gewordenen äußeren Zeitmacht also, die als eine unendlich teilbare, endlose Linie vor ihm liegt, die auszufüllen ihm nie wirklich gelingen kann. Die vergegenständlichte Zeit verfließt ihm unter den Händen. Jede Zeit, die er durch geschicktes Zeitmanagement spart, drängt sich ihm sofort als leere, also erneut mit Arbeit auszufüllende Zeit auf. Es sind nicht mehr die konkreten Besorgungen und Bedürfnisse, die seinen Zeitplan bestimmen, sondern es ist die leere Zeit selbst, die neue Bedürfnisse erweckt und ihre eigene Kapitalisierung erzwingt. Während heute diese Art von Zeitumgang längst zur Normalität geworden ist80, konnte Heidegger das vulgäre Zeitverständnis als einen Extremfall auffassen, von dem die uneigentliche Zeitlichkeit noch einmal deutlich abzugrenzen sei. In den praktischen Zusammenhängen des alltäglichen Besorgens erscheint die Zeit gerade nicht als eine äußere, nur noch physikalisch zu bestimmende Uhrenmacht und "Naturzeit"81, sondern als eine in unsere alltäglichen Besorgungen eingebaute und von diesen her bestimmte "Weltzeit".82

Als die drei zentralen Charakteristika, welche die Zeit der uneigentlichen Zeitlichkeit gegenüber der vulgären Zeitauffassung auszeichnen, stellt Heidegger die Aspekte der Datierbarkeit, der Gespanntheit und der Öffentlichkeit heraus. Worum es Heidegger geht, läßt sich am Beispiel der Datierbarkeit zeigen. Während sich in der vulgären Zeit der jeweilige Jetztpunkt allein aus der immanenten Relation zu anderen Jetztpunkten, also in der abstrakten Relation des früher/später definiert, ist das Jetzt des alltäglichen Besorgens immer in die konkreten Bezüge der alltäglichen Verrichtungen integriert, zu deren Datierung es dient: es ist ein "Jetzt, da..."83 In diesem Sinn stellt Heidegger heraus: "Wenn wir auf die Uhr sehen und 'jetzt' sagen, sind wir nicht auf das Jetzt als solches gerichtet, sondern auf das, wofür und wozu noch jetzt Zeit ist; gerichtet sind wir auf das, was uns beschäftigt, wovon wir bedrängt sind, was seine Zeit haben will, wofür wir Zeit haben wollen."84 Und er folgert daraus: "Daß zu dem mit dem 'jetzt', 'dann' und 'damals' Ausgelegten wesenhaft die Struktur der Datierbarkeit gehört, wird zum elementaren Beweis für die Herkunft des Ausgelegten aus der sich auslegenden Zeitlichkeit. 'Jetzt'-sagend verstehen wir immer auch schon, ohne es mitzusagen, ein '- da das und das ...'. Weshalb denn? Weil das 'jetzt' ein Gegenwärtigen von Seiendem auslegt. Im 'jetzt da -..' liegt der ekstatische Charakter der Gegenwart. Die Datierbarkeit der 'jetzt', 'dann' und 'damals' ist der Widerschein der ekstatischen Verfassung der Zeitlichkeit und deshalb auch für die ausgesprochene Zeit selbst wesenhaft."85

Zusammenfassend läßt sich sagen: In Heideggers Unterscheidung zwischen eigentlicher Zeitlichkeit, uneigentlicher Zeitlichkeit und vulgärer Zeitauffassung wird die von Kant durch die Unterscheidung von Zeit als 'formaler Anschauung' und Zeit als 'Form der Anschauung' angebahnte Relativierung der objektiven Zeit unter den konkreten Bedingungen des menschlichen In-der-Welt-sein weitergeführt. Und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen relativiert Heidegger die objektive Zeitauffassung, die dem vulgären Zeitverständnis zugrundeliegt, im Rekurs auf den pragmatischen, in Besorgungszusammenhänge eingerückten Zeitumgang der uneigentlichen Zeitlichkeit. Zum anderen relativiert Heidegger sowohl die objektive Zeitauffassung, die dem vulgären Zeitverständnis zugrundeliegt, als auch die pragmatische Zeitauffassung, die sich aus der uneigentlichen Zeitlichkeit ergibt, im Rekurs auf die ausgezeichnete und seiner Ansicht nach fundamentale Zeitigungsform der eigentlichen Zeitlichkeit. Von dieser fundamentalen Zeitigungsform aus glaubte Heidegger, den Übergang von der Daseinsanalyse zur Fundamentalontologie bewerkstelligen zu können. Sie markiert damit zugleich den inneren Umschlagspunkt, an dem Heideggers Phänomenologie der Zeitlichkeit des menschlichen Daseins von der fundamentalontologischen Gesamtperspektive von Sein und Zeit eingeholt und überformt wird.

Diesen letzten Aspekt von Heideggers Denken - den fundamentalontologischen Rückfall in einen zeittheoretischen Universalismus zweiter Stufe - hat Rorty in seiner Heidegger-Kritik in den Vordergrund gestellt. In seinem Buch Kontingenz, Ironie und Solidarität schreibt Rorty: "Als er Sein und Zeit schrieb, hat Heidegger anscheinend ernsthaft geglaubt, ein transzendentales Unternehmen durchzuführen, also eine vollständige Aufzählung der 'ontologischen' Bedingungen der Möglichkeit bloß 'ontischer' Zustände zu geben. (...). Genau wie Kant sich anscheinend niemals gefragt hat, wie es möglich war, trotz der Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit, die die Kritik der reinen Vernunft erkannt hatte, noch den 'transzendentalen Gesichtspunkt' einzunehmen, unter dem das Buch angeblich geschrieben wurde, genauso berührt auch der Heidegger dieser Periode niemals die Frage der methodologischen Selbstbezüglichkeit. Er fragt sich niemals, wie eine 'Ontologie' seiner Machart ihren eigenen Schlußfolgerungen zum Trotz überhaupt möglich sei."86 Und Rorty ergänzt: "Mit diesen Bemerkungen über die Unbefangenheit des frühen Heidegger will ich nicht versuchen, sein frühes (in sich nicht konsistentes, sehr schnell geschriebenes, bewundernswert originelles) Buch schlecht zu machen. Heidegger war schließlich nicht der erste Philosoph, der seine eigene, idiosynkratische geistige Situation für die Quintessenz dessen hielt, was es bedeutet, ein Mensch zu sein."87

Daß Kants Zeittheorie von Rortys Kritik nur zum Teil getroffen wird, wurde oben im Rekurs auf die von Kant in der Transzendentalen Logik vollzogene Relativierung der Zeit bereits deutlich gemacht. Ähnliches ist abschließend für Heidegger zu zeigen. Zu diesem Zweck sei zunächst Rortys affirmative Lektüre von Heideggers ursprünglicher Intention zitiert. Den Ansatz von Sein und Zeit resümiert Rorty in diesem Zusammenhang wie folgt: "Heidegger would like to recapture a sense of what time was like before it fell under the spell of eternity, what we were before we became obsessed by the need for an overarching context which would subsume and explain us (...). To put it in another way: he would like to recapture a sense of contingency, of the fragility and riskiness of any human project (...)"88 Die kontingenzphilosophische Intention der Daseinsanalyse aber sei, so fährt Rorty fort, durch Heideggers Verabsolutierung der eigentlichen Zeitlichkeit und durch deren fundamentalontologische Ausbuchstabierung verraten worden.

Gegen diese im Grundsätzlichen durchaus berechtigte Kritik ist gleichwohl einzuwenden, daß die fundamentalontologische Überformung der daseinsanalytischen Zeitlichkeitstheorie von Heidegger nur projektiert, aber nicht wirklich vollzogen wurde. Zugleich finden sich im Zeitdenken des frühen Heidegger rudimentäre Versuche, das Modell der temporalen Doppelbewegung zu relativieren, d.h. es seinerseits zeitlich zu verstehen. Dieser Schritt, der von Heideggers Analyse an mehreren Stellen nahegelegt wird, markiert den Grundzug einer bis in die letzten Konsequenzen durchgeführten reflexiven Verzeitlichung der Zeit. Implizit ist dieser Schritt einer radikalen Verzeitlichung vor allem in Heideggers Auseinandersetzung mit "den Ideen des Grafen Yorck"89, die sich in §77 von Sein und Zeit findet, vorweggenommen. Dort stellt er positiv heraus: "Und Yorck (...) zögert nicht die letzte Konsequenz aus der Einsicht in die Geschichtlichkeit des Daseins zu ziehen."90 Als Beleg zitiert Heidegger zustimmend aus dem Briefwechsel zwischen Yorck und Dilthey: "Das Selbstverhalten und die Geschichtlichkeit sind wie Athmen und Luftdruck - und - es mag dies einiger Maßen paradox klingen - die Nicht-Vergeschichtlichung des Philosophirens erscheint mir in methodischer Beziehung als ein metaphysischer Rest."91 Explizit fordert Heidegger die reflexive Verzeitlichung der Zeit in dem frühen Vortrag Der Begriff der Zeit. Dort stellt Heidegger heraus: "Um dem Seinscharakter dessen, was hier Thema ist, zu entsprechen, müssen wir von der Zeit zeitlich reden. Wir wollen die Frage, was die Zeit sei, zeitlich wiederholen. Die Zeit ist das Wie. Wenn nachgefragt wird, was die Zeit sei, dann darf man sich nicht voreilig an eine Antwort hängen (das und das ist die Zeit), die immer ein Was besagt."92 Und Heidegger schließt: "Die Zeit ist sinnlos; Zeit ist zeitlich."93

Nimmt man Heidegger in diesem Punkt beim Wort, läßt sich eine durch die fundamentalontologischen Implikationen, welche die Auszeichnung der als 'eigentlicher Zeitlichkeit' bezeichneten Zeitigungsstruktur begründen sollen, nicht belastete Beschreibung der Zeitigungsformen des Daseins geben. Die Rückbindung der pragmatischen Zeitlichkeit in die formale Struktur der temporalen Doppelbewegung läßt sich dabei bewahren, ohne daß die hierarchische Struktur, die Heidegger zwischen den von ihm freigelegten Zeitgestalten ansetzt, übernommen werden muß. Diese Modifikation läuft auf eine radikale Pluralisierung von Heideggers Zeitlichkeitsanalyse hinaus.94 Damit ist eine Pluralisierung gemeint, die über die einfache Pluralisierung hinausgeht, die für die zweite Grundtendenz der aktuellen Zeitphilosophie charakteristisch ist. Dies ist insofern der Fall, als sie die Pluralität der Zeiten nicht länger durch die spekulative Schein-Evidenz einer negativistisch konzipierten Einheit zu entschärfen versucht. Indem sie, um in der oben herangezogenen Metaphorik Musils zu sprechen, die Ufer des Zeitflusses mit in Bewegung bringt, erlaubt sie es, die Einheit der Zeit als ein komplexes Netzwerk, d.h. als transversale Verflechtung und horizontale Relationierung pluraler Eigenzeiten zu konzipieren.

Die radikale Zeitpluralisierung, die über Heidegger hinausgehend in den Blick zu bringen ist, hat zwei Aspekte. Sie führt erstens zu einer internen Pluralisierung, insofern die von Heidegger freigelegten Zeitgestalten nicht länger in einem hierarchischen und mit normativen Implikationen (eigentlich/uneigentlich) versehenen Fundierungszusammenhang zu verstehen sind. Die Rückgebundenheit der pragmatischen, auf bestimmte inhaltliche Zukunftsentwürfe festgelegten Zeitlichkeit in die temporale Doppelbewegung des Daseins ist auf diesem Hintergrund als Eingebundenheit in einen Horizont zu verstehen, von dem her Zukunftsentwürfe erst als konkrete erfahrbar und als in ihrer Kontingenz verbindliche verstehbar werden. Die Modifikation in der Auffassung der temporalen Doppelbewegung verbindet sich zweitens mit einer externen Pluralisierung. Sie betrifft nicht mehr nur das interne Verhältnis der aufeinander bezogenen Zeitgestalten, die von Heidegger beschrieben werden, sondern nimmt auch alternative Zeitigungsformen in den Blick, die sich nicht mehr unter den Bedingungen des von Heidegger in Sein und Zeit vorausgesetzten "Vorrang[s] der Zukunft"95 verstehen lassen. Zu denken ist dabei aus philosophischer Perspektive an das weite Spektrum divergierender Zeitgestalten, das von Kants 'reflektierender Urteilskraft' und Freuds 'freier Assoziation' über Prousts 'unwillkürliche Erinnerung', Benjamins 'Jetztzeit' und Newmans 'Augenblick' bis hin zu Lyotards 'Durchgang' oder Derridas 'différance' reicht. Aufgabe einer philosophisch fundierten transdisziplinären Zeitforschung könnte es sein, auf dem Hintergrund der beschriebenen Differenzierungen die Verflechtungen nachzuzeichnen, die zwischen den pluralen Zeitkonzepten bestehen, die sowohl in den wissenschaftlichen Disziplinen als auch in unserem alltäglichen Selbst- und Weltverständnis unterschiedliche pragmatische Rollen spielen.

 

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  1. Vgl. Macey, 1991. [zurück]
  2. Vgl. hierzu Wood, 1989; Baumgartner, 1993; Burger, 1993; Le Poidevin/McBeath, 1993; Zimmerli/Sandbothe, 1993; Sandbothe/Zimmerli, 1994; Mainzer, 1996. [zurück]
  3. Vgl. hierzu Griffin, 1986 und Krohn/Küppers/Nowotny, 1990. [zurück]
  4. Lübbe, 1992, 30. [zurück]
  5. Prigogine, 1973, 590f. [zurück]
  6. Prigogine, 1988, 262. Vgl. hierzu auch Prigogines Beitrag zum vorliegenden Band sowie Coveney/Highfield, 1992 und Sandbothe, 1994. [zurück]
  7. Ricoeur, 1991, 154. [zurück]
  8. Ricoeur, 1991, 148. [zurück]
  9. Ricoeur, 1991, 147. [zurück]
  10. Ricoeur, 1991, 147. [zurück]
  11. Ricoeur, 1991, 148. [zurück]
  12. Ricoeur, 1991, 149. [zurück]
  13. Ricoeur, 1991, 148. [zurück]
  14. Ricoeur, 1991, 294f. Vgl. auch Ricoeur, 1988. [zurück]
  15. Ricoeur, 1991, 436. [zurück]
  16. Levinas, 1984, 1996. [zurück]
  17. Theunissen, 1991. [zurück]
  18. Lübbe, 1992, 31. [zurück]
  19. Ricoeur, 1991, 401. [zurück]
  20. Ricoeur, 1991, 347. [zurück]
  21. Ricoeur, 1991, 436. [zurück]
  22. Rorty selbst situiert sein "anti-repräsentationalistische[s]" () Denken jenseits der Oppostion von Universalismus und Relativismus (vgl. hierzu exemplarisch: Richard Rorty, Relativismus: Finden und Machen, im vorliegenden Band, S. -). Dabei versteht er unter 'Relativismus' eine erkenntnistheoretische Position, die der realistischen Vorstellung vom 'Finden' der Wahrheit das konstruktivistische Modell vom 'Machen' der Wahrheit entgegenstellt. (Zur zeittheoretischen Ausbuchstabierung des Konstruktivismus siehe auch: Humberto Maturana, Die Natur der Zeit, im vorliegenden Band, S. -) Verwendet man den Begriff des Relativismus demgegenüber jedoch nicht in einem erkenntnistheoretisch fixierten Sinn, dann kann man Rortys Pragmatismus, dessen "Hauptargument (...) die Relativität von Beschreibungen in bezug auf Zwecke" (S. ) ist, als einen anti-repräsentationalistischen Relativismus auffassen. 'Relativismus' und 'Relativierung' werden von mir im folgenden in einem weiten Sinn gebraucht, der sowohl pragmatische als auch konstruktivistische Positionen umfaßt. [zurück]
  23. Rorty, 1989, 50. [zurück]
  24. Damit geht für Rorty, der vermutlich aus diesem Grund keine explizite Theorie der Zeit entwickelt, die metaphilosophische Einsicht zusammen, "daß Romane ein sichereres Medium sind als Theorie (...). (...). Denn Romane handeln meist von Personen - von Dingen, die, anders als allgemeine Ideen und abschließende Vokabulare, ganz selbstverständlich zeitgebunden und eingesponnen in ein Gewebe von Kontingenzen sind." (Rorty, 1989, S. 180). Vgl. hierzu auch Sandbothe, 1996. [zurück]
  25. Vgl. hierzu Richard Rorty, Science as Solidarity, in: ders, 1991a, 35-45. [zurück]
  26. Musil, 1978, 445. Ich danke Wolfgang Welsch, der mich auf diese schöne Stelle bei Musil hingewiesen hat. [zurück]
  27. Kant, 1983, 79 (B 47). [zurück]
  28. McTaggart, 1993, S. 67. [zurück]
  29. Gödel, 1956, 406. [zurück]
  30. Gödel, 1956, 406. [zurück]
  31. Gödel, 1956, 406. [zurück]
  32. McTaggart, 1993, S. 67. [zurück]
  33. Für eine detaillierte Rekonstruktion vgl. Bieri, 1972, S. 19-78. [zurück]
  34. Dummett, 1993. [zurück]
  35. Kant, 1983, 69, (B 33). [zurück]
  36. Kant, 1983, 79 (B 47). [zurück]
  37. Kant, 1983, 82 (B 51). [zurück]
  38. Kant, 1983, 82 (B 51). [zurück]
  39. Kant, 1983, 82, (B 52). [zurück]
  40. Schopenhauer, 1977, 31-41, 522, 537-554. [zurück]
  41. Hegel, 1971, 339ff. [zurück]
  42. Düsing, 1980. [zurück]
  43. Düsing, 1980, 2. [zurück]
  44. Heidegger, 1973, 46. [zurück]
  45. Kant, 1983, 154 (B 160). [zurück]
  46. Kant, 1983, 154 (B 160). [zurück]
  47. Kant, 1983, 154 (B 160). [zurück]
  48. Kant, 1983, 154 (B 160f). [zurück]
  49. Kant, 1983, 154 (B 161). [zurück]
  50. Kant, 1983, 79f (B 48f). [zurück]
  51. Kant, 1983, 80 (B 49). [zurück]
  52. Kant, 1983, 81 (B 50). [zurück]
  53. Kant, 1983, 81 (B 50). [zurück]
  54. Kant, 1983, 82 (B 52). [zurück]
  55. Die zeittheoretisch einschlägigen Passagen der Kritik der Urteilskraft lassen sich als Versuche interpretieren, diesen Horizont aus ästhetischer Perspektive zu konturieren (vgl. hierzu: Wohlfart, 1982; Lyotard, 1993). [zurück]
  56. Heidegger, 1977, 132. [zurück]
  57. Heidegger, 1979, 69. [zurück]
  58. Heideggers Daseinsanalyse hat insofern eine genuin pragmatische Signatur: vgl. hierzu Okrent, 1988 [zurück]
  59. Heidegger, 1979, 321. [zurück]
  60. Heidegger, 1979, 321. [zurück]
  61. Heidegger, 1979, 321. [zurück]
  62. Heidegger, 1979, 326. [zurück]
  63. Kierkegaard, 1993, 34. [zurück]
  64. Heidegger, 1979, 326. [zurück]
  65. Heidegger, 1979, 326. [zurück]
  66. Heidegger, 1979, 325. [zurück]
  67. Heidegger, 1979, 38, 363ff u.ö. [zurück]
  68. Heidegger, 1989, 6. [zurück]
  69. Heidegger, 1979, 325. [zurück]
  70. Kierkegaard, 1981. [zurück]
  71. Heidegger, 1979, 235ff. [zurück]
  72. Heidegger, 1979, 262. [zurück]
  73. Heidegger, 1979, 265. [zurück]
  74. Heidegger, 1979, 267. [zurück]
  75. Heidegger, 1979, 235. [zurück]
  76. Heidegger, 1979, 329. [zurück]
  77. Heidegger, 1979, 17. [zurück]
  78. Heidegger, 1979, 408. [zurück]
  79. Heidegger, 1989, 20. [zurück]
  80. Vgl. hierzu Rinderspacher, 1985. [zurück]
  81. Heidegger, 1975, 370. [zurück]
  82. Heidegger, 1975, 370. [zurück]
  83. Heidegger, 1979, 408. [zurück]
  84. Heidegger, 1975, 365. [zurück]
  85. Heidegger, 1979, 408. [zurück]
  86. Rorty, 1989, 183f. [zurück]
  87. Rorty, 1989, 184. [zurück]
  88. Rorty, 1991b, 34. [zurück]
  89. Heidegger, 1979, 397. [zurück]
  90. Heidegger, 1979, 401. [zurück]
  91. Yorck zitiert nach Heidegger, 1979, 402. Vgl. hierzu auch Rorty (Rorty, 1991b, 41). [zurück]
  92. Heidegger, 1989, 27. [zurück]
  93. Heidegger, 1989, 27. [zurück]
  94. Vgl. hierzu unter medienphilosophischer Perspektive: Sandbothe, 1993. [zurück]
  95. Heidegger, 1979, 329. [zurück]

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